„Farben sind die Muttersprache des Unbewussten“, schrieb einst der berühmte Psychiater Carl Gustav Jung. Dieser Satz beschreibt treffend die besondere Bedeutung, die Farben für uns Menschen haben. Wir orientieren uns außergewöhnlich stark an visuellen Reizen, insbesondere an Farben, und nutzen diese, um die Welt um uns herum zu verstehen. Unser Gehirn interpretiert farbliche Signale blitzschnell und verbindet diese mit bestimmten Emotionen und Bedeutungen. In diesem Sinne sprechen Wissenschaftler von einem „farbigen Vokabular“, das sich über Jahrtausende hinweg in uns entwickelt hat. Dieses Vokabular hilft uns, in unserer komplexen Umgebung rasch Entscheidungen zu treffen und uns zu orientieren. Ein Beispiel: Die Farbe Rot ist tief in unserem Bewusstsein mit Gefahr und Warnung verknüpft. Sobald wir Rot sehen, wird unser Gehirn alarmiert – Aufmerksamkeit und Wachsamkeit steigen. Dies zeigt, wie stark unser Gehirn auf die symbolische Bedeutung von Farben programmiert ist.
Farben als Überlebensstrategie
Die Fähigkeit, Farben richtig zu deuten und sie mit den passenden Reaktionen zu verbinden, ist eine grundlegende Überlebensstrategie. „Unser Wissen über Farben bildet sich schon in der frühen Kindheit und wird ein Leben lang verfeinert“, erklärt der renommierte Farbforscher Professor Dr. Axel Buether. „Farben kommunizieren mit uns: Sie können uns anziehen oder abstoßen, beruhigen oder warnen. Letztlich sind sie essenziell für unser Überleben.“ Interessanterweise verarbeiten wir den Großteil der Farbinformationen – laut Buether etwa 99 Prozent – völlig unbewusst. Dies bedeutet, dass wir uns der ständigen Beeinflussung durch Farben oft nicht bewusst sind, auch wenn sie tief in unsere Wahrnehmung und unser Verhalten eingreifen.
Einfluss von Farben auf das Nervensystem
In seinem Forschungslabor „Farbe Licht Raum“ hat Axel Buether die erstaunlichen Auswirkungen von Farben auf unser Nervensystem eingehend untersucht. Seine Forschungsergebnisse zeigen, dass Farben und Lichtverhältnisse direkte Auswirkungen auf grundlegende körperliche Funktionen wie den Stoffwechsel, die Atmung, den Blutdruck und den Muskeltonus haben. Doch nicht nur körperliche Prozesse werden durch Farben beeinflusst – auch unsere Gefühle und Emotionen reagieren stark auf farbliche Reize. Da Emotionen wiederum eine zentrale Rolle bei der Steuerung unseres Denkens und Handelns spielen, können Farben tiefgreifende Auswirkungen auf unser Verhalten haben.
Farben als alternatives „Medikament“?
„Farben sind atmosphärische Umweltfaktoren, die uns krank, müde oder lustlos machen können, aber ebenso das Potenzial haben, uns wach, aktiv und gesund zu halten“, betont Buether. Er bezieht sich dabei auf eine seiner bedeutendsten Studien, die er 2019 am Helios-Universitätsklinikum Wuppertal durchführte. In dieser Studie untersuchte er, welchen Einfluss die Farbgestaltung auf den Intensivstationen der Klinik auf das Wohlbefinden der Patienten hat. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Nach einer Umgestaltung der Stationen und einer bewussteren Farbwahl berichteten die Patienten von einer Steigerung ihres Wohlbefindens und Gesundheitszustands um ganze 62,7 Prozent. Gleichzeitig sank der Medikamentenverbrauch um durchschnittlich 30,1 Prozent. Dies verdeutlicht, wie stark Farben nicht nur unser subjektives Wohlbefinden, sondern auch unseren physischen Zustand beeinflussen können.
Begleitet von den richtigen Farben, fühlt man sich wohler und lebt gesünder, ist wacher und aufmerksamer, denkt und lernt konzentrierter und kommt schneller zur Ruhe.
Prof. Dr. Axel Buether – Farbexperte und Professor für Didaktik der visuellen Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal
Farben als Ressource für ein gesünderes Leben
„Da Farben einen tiefgreifenden Einfluss auf unsere Emotionen haben, prägen sie unsere Wahrnehmung von uns selbst und unserer Umgebung“, so Buether weiter. „Wer die Kraft der Farben bewusst für sich nutzt, kann sein Wohlbefinden deutlich steigern.“ Die richtige Farbwahl kann uns dabei unterstützen, uns wohler und gesünder zu fühlen, wacher und konzentrierter zu arbeiten und schneller zur Ruhe zu kommen. Es ist also sinnvoll, sich mit den spezifischen Wirkungen der Farben auseinanderzusetzen, um diese in verschiedenen Lebensbereichen gezielt einsetzen zu können.
Die physiologische Wirkung von Farben
Farben wirken jedoch nicht nur über die Augen, sondern auch auf einer tieferen, körperlichen Ebene. Über lichtempfindliche Sensoren auf der Haut nimmt unser Körper Farben direkt auf. Diese wirken sich wiederum auf biochemische und biophysikalische Prozesse aus, die unser Nervensystem beeinflussen. So können bestimmte Farben die Herzfrequenz, den Puls oder die Atemfrequenz verändern und sogar den Blutdruck erhöhen oder senken. Farben greifen somit, oft unbewusst, tief in unsere physiologischen Prozesse ein und beeinflussen unser körperliches und geistiges Wohlbefinden in vielfältiger Weise.
- Orange
Die Farbe Orange regt nachweislich die Ausschüttung des Belohnungshormons Dopamin im Gehirn an, was zu gesteigerter Motivation und einer positiven Lebensfreude führt. Aufgrund dieser Wirkung wird Orange als kräftig, fröhlich und belebend empfunden. Es hebt die Stimmung und sorgt für eine lebhafte Atmosphäre, die das Wohlbefinden fördert. - Rot
Rot wird als eine warme Farbe wahrgenommen, die ein Gefühl von Geborgenheit und Wohlbehagen vermittelt. Sie besitzt jedoch auch eine dynamische Seite, da sie oft mit Gefahr assoziiert wird, wodurch sie die Aufmerksamkeit schärft und das Bewusstsein für Details erhöht. In der Farbenlehre der Malerei wird Rot mit Eigenschaften wie Stärke, Lebensfreude und Vitalität verbunden. Ein gezielt eingesetzter roter Akzent, wie etwa eine rot gestrichene Wand, kann Energie spenden und die Ausdauer steigern. - Violett
Violett ist eine facettenreiche Farbe, die sowohl zart und pastellartig als auch kraftvoll und prächtig wirken kann. Sie wird mit Vitalität, Sinnlichkeit und Lebenslust in Verbindung gebracht. Die Farbe vereint in sich viele Gegensätze, wie etwa Wärme und Kälte, Nähe und Distanz sowie Helligkeit und Dunkelheit. Aus diesem Grund wirkt Violett oft mysteriös und tiefgründig, da es verschiedene Empfindungen gleichzeitig ansprechen kann. - Schwarz
Schwarz hat eine dramatische und oftmals bedrohliche Ausstrahlung. Während Weiß traditionell für das Gute und Wahre steht, symbolisiert Schwarz oft das Böse und die Trauer. Viele Menschen assoziieren Dunkelheit mit Gefühlen von Unsicherheit und Angst, da eine lichtlose Umgebung Hilflosigkeit und Verletzlichkeit hervorrufen kann. Schwarze Kleidung dient daher oft unbewusst als Schutzschild gegen unerwünschte Nähe, da Schwarz Distanz und Abkehr signalisiert. - Grau
Grau ist die Farbe der Dämmerung und vermittelt den Übergang zwischen Licht und Dunkelheit. Es ist auch die Farbe, die wir wahrnehmen, wenn wir die Augen kurz schließen. Grau hat eine beruhigende und harmonisierende Wirkung, die den Geist ausgleicht und zur inneren Balance beiträgt. Es steht für Neutralität und Zurückhaltung, vermittelt aber gleichzeitig Stabilität und Sicherheit. - Gelb
Gelb fördert das Selbstvertrauen und die Risikofreude gleichermaßen. Psychologische Studien haben gezeigt, dass Gelb zudem Ängste mindern und positive Gefühle erzeugen kann. Johann Wolfgang von Goethe beschrieb Gelb einst als eine warme und behagliche Farbe, die das Herz erfreut und das Gemüt erhellt. Es vermittelt eine spürbare Wärme, die sowohl den Körper als auch den Geist umhüllt. - Grün
Grün steht für Wachstum und Entfaltung – sei es bei Menschen, Tieren, Pflanzen oder Ideen. Die Farbe ist lebensbejahend und kann Glückshormone freisetzen. Grün motiviert uns, in dem fortzufahren, was wir tun, und hat eine entspannende und inspirierende Wirkung. Schon ein kleiner grüner Akzent, wie ein Kissen im Raum, kann diese positive Wirkung verstärken. - Weiß
Weiß ist die Farbe des Lichts und wird in vielen Sprachen mit Naturphänomenen wie Helligkeit und Glanz in Verbindung gebracht. Jeder hat schon einmal fasziniert den Wolken zugesehen, die vor einem strahlend blauen Himmel entlangziehen. Weiß symbolisiert Reinheit, Leichtigkeit und Frieden. Wenn es heller wird, schwinden Ängste und Sorgen, was Weiß zu einer befreienden und beruhigenden Farbe macht. - Braun
Braun ist die Farbe der Erde und symbolisiert Stabilität und Standfestigkeit. Sie wird oft mit Geborgenheit, Sicherheit und Verlässlichkeit assoziiert. Braun vermittelt ein Gefühl von Behaglichkeit, das uns an die Natur und deren Beständigkeit erinnert. Es ist kein Zufall, dass wir uns auf braunen Böden sicher fühlen, denn Braun steht für Verlässlichkeit und Bodenhaftung. - Gold
Gold verleiht irdischen Dingen eine erhabene und fast göttliche Aura. Es steht für Vollkommenheit und Ewigkeit. Besonders in der Natur sorgt das goldene Licht der tief stehenden Sonne für magische Momente, die Gefühle von Ehrfurcht, Demut und tiefer Freude wecken. Wenn eine Landschaft in den warmen Goldschimmer der Abendsonne getaucht wird, scheint die Zeit für einen Moment stillzustehen. - Rosa
Rosa strahlt Zartheit und Verletzlichkeit aus. In der japanischen Kultur wird die Vergänglichkeit der Schönheit durch das Kirschblütenfest gefeiert, welches den Beginn der „rosafarbenen Zeit“ markiert. Die Farbe Rosa wird mit Reinheit, Schönheit und Glück in Verbindung gebracht und erinnert uns an das blühende Leben und die vergängliche Schönheit des Augenblicks. - Blau
Blau hat eine doppelte Wirkung auf das menschliche Wohlbefinden. Physiologisch fördert es Ruhe und Entspannung, während es auf psychologischer Ebene Zufriedenheit vermittelt. In diesem harmonischen Zustand wird die Kreativität angeregt und die Leistungsfähigkeit gesteigert. Blau schafft eine friedliche Atmosphäre, in der Körper und Geist zur Ruhe kommen können. - Perlmutt
Perlmutt ist eine faszinierende Farbe, die durch ihren schimmernden Glanz und die reflektierenden Lichtspiele eine magische Ausstrahlung besitzt. Sie vermittelt Eleganz und Beständigkeit und weckt Gefühle von Vertrauen und Geborgenheit. Perlmutt hat eine sanfte, aber zugleich kraftvolle Ausstrahlung, die für Ruhe und Kontinuität steht.
Dieser umfassende Einfluss von Farben auf unsere Gesundheit verdeutlicht, dass sie weit mehr sind als bloße visuelle Reize. Sie sind ein zentraler Bestandteil unserer Umwelt, der tiefgreifende Wirkungen auf unser körperliches und psychisches Befinden hat. Wer die Macht der Farben versteht und gezielt nutzt, kann damit nicht nur seine Lebensqualität verbessern, sondern auch seine Gesundheit positiv beeinflussen.
Weblinks
- Prof. Dr. Axel Buether – Institut für Farbpsychologie
- Deutsches Farbenzentrum – Prof. Dr. Axel Buether
Quellen
- Mehr Licht und Farbe – Artikel Rheinisches Ärzteblatt Heft 2/2021 | Prof. Dr. Axel Buether (abgerufen am 20. November 2021)
- Farb-Lichtgestaltung senkt Medikamentenverbrauch von Neuroleptika um durchschnittlich 30,1% | Prof. Dr. Axel Buether (abgerufen am 20. November 2021)