Geschichte des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL)

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) blickt auf eine lange Geschichte regionaler Selbstverwaltung zurück. Gegründet 1953, prägt er heute maßgeblich das Sozial- und Kulturwesen in Westfalen-Lippe.

Stephan Wäsche
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Der Sitz des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) befindet sich in der Stadt Münster, Nordrhein-Westfalen. Dort koordiniert der LWL seine sozialen, kulturellen und gesundheitlichen Aufgaben.© Foto: LWL/Arendt

Die Geschichte des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) ist eng mit der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung des westfälischen Landesteils Nordrhein-Westfalens und der deutschen Verwaltungsgeschichte verbunden. Seine Ursprünge liegen im 19. Jahrhundert, als die Idee einer regionalen Selbstverwaltung auf Provinzebene entstand. Der LWL hat sich von einer Verwaltungseinheit im preußischen Staat zu einer modernen, vielfältigen Organisation entwickelt, die heute wesentliche soziale, gesundheitliche und kulturelle Aufgaben wahrnimmt.

Die preußische Provinz Westfalen (1815–1918)

Die Gründung des LWL geht auf die Verwaltungseinrichtungen der preußischen Provinzen zurück. Nach dem Wiener Kongress 1815 fiel das Gebiet Westfalens an Preußen. Als Reaktion auf die politischen und territorialen Veränderungen führte der preußische Staat eine umfassende Verwaltungsreform durch, um seine neuen Gebiete effizient zu verwalten. Im Rahmen dieser Reformen wurde 1816 die Provinz Westfalen gegründet, eine von mehreren preußischen Provinzen, die dem preußischen Staat unterstellt waren, aber auch Elemente regionaler Selbstverwaltung aufwiesen.

Die Provinz Westfalen erhielt eine zentrale Verwaltung unter einem Oberpräsidenten, der direkt von der preußischen Regierung ernannt wurde. Parallel dazu entwickelte sich auf regionaler Ebene eine Selbstverwaltung in Form des „Provinzialverbands“, der 1886 offiziell gegründet wurde. Dieser Provinzialverband war eine regionale Körperschaft, die von den Kreistagen und Stadtverordnetenversammlungen der Region gewählt wurde. Diese Selbstverwaltungseinrichtung sollte Aufgaben übernehmen, die über die Kompetenzen einzelner Städte oder Landkreise hinausgingen.

Die Aufgaben der Provinzialverbände (1886–1918)

Die Provinzialverbände hatten verschiedene Aufgaben, die vor allem auf den Ausbau der Infrastruktur und die Förderung des Sozialwesens abzielten. Dazu gehörten:

  • Verkehrsinfrastruktur: Der Provinzialverband war für den Bau und die Instandhaltung von Straßen, Brücken und Wegen verantwortlich, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend waren.
  • Gesundheitswesen: Der Verband betrieb Krankenhäuser, psychiatrische Anstalten und Pflegeeinrichtungen. Ein wichtiger Teil der Tätigkeit war die Betreuung von Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen.
  • Soziale Aufgaben: Die Provinzialverbände setzten sich auch für die Unterstützung armer und bedürftiger Menschen ein, indem sie Armenhäuser und Wohlfahrtseinrichtungen betrieben.

Diese Aufgaben spiegelten die wachsende Bedeutung von Infrastruktur und sozialen Dienstleistungen im 19. Jahrhundert wider, als sich die Industrialisierung in Deutschland beschleunigte und die Bevölkerung in den Städten zunahm.

Der Provinzialverband in der Weimarer Republik (1919–1933)

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Zusammenbruch des Kaiserreichs entwickelte sich die Weimarer Republik zu einem demokratischen Staat, in dem die regionale Selbstverwaltung gestärkt wurde. Der Provinzialverband Westfalen erhielt in dieser Zeit eine größere Autonomie und wurde zu einem wichtigen Träger der Sozialpolitik.

In den 1920er Jahren spielte der Provinzialverband eine Schlüsselrolle im Aufbau des Sozialstaats. Er betrieb zahlreiche soziale Einrichtungen, darunter Krankenhäuser, Heime für Menschen mit Behinderungen und Waisenhäuser. Insbesondere die Behindertenfürsorge erfuhr in dieser Zeit eine deutliche Ausweitung, da die Gesellschaft zunehmend die Notwendigkeit erkannte, Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen zu unterstützen.

Gleichzeitig förderte der Verband den kulturellen Austausch in der Region, indem er Museen, Theater und kulturelle Veranstaltungen unterstützte. Dies legte den Grundstein für die spätere Rolle des LWL als bedeutender Kulturförderer.

Die Zeit des Nationalsozialismus (1933–1945)

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 begann eine dunkle Phase in der Geschichte des Provinzialverbands. Der Verband wurde in die nationalsozialistische Verwaltung integriert und verlor seine Autonomie. Viele der sozialen Einrichtungen des Verbands wurden in die nationalsozialistische Ideologie eingebunden, insbesondere in das menschenverachtende Programm der „Euthanasie“.

In den 1940er Jahren wurden viele Einrichtungen des Provinzialverbands, darunter psychiatrische Kliniken und Heime für Menschen mit Behinderungen, in die sogenannte „Aktion T4“ verwickelt, ein systematisches Programm zur Ermordung von Menschen, die als „lebensunwert“ galten. Zahlreiche Patienten wurden deportiert und in Vernichtungslagern ermordet. Dieser Teil der Geschichte des LWL wurde in den letzten Jahren intensiv aufgearbeitet, und der Verband hat sich zu seiner Verantwortung bekannt.

Nachkriegszeit und Neugründung des LWL (1946–1953)

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Auflösung Preußens im Jahr 1947 stellte sich die Frage nach der Zukunft der Provinzialverbände. Im neu gegründeten Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden die Provinzialverbände reorganisiert. Der Provinzialverband Westfalen wurde in „Landschaftsverband Westfalen-Lippe“ umbenannt und 1953 als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts neu gegründet. Die Abkürzung „LWL“ steht seitdem für diesen Landschaftsverband.

Die Entwicklung des LWL in der Bundesrepublik (1953–1990)

Nach der Neugründung übernahm der LWL eine Vielzahl von Aufgaben, insbesondere im Sozial- und Gesundheitswesen. Der Verband betrieb psychiatrische Kliniken, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und Pflegeheime. In den folgenden Jahrzehnten baute der LWL seine Rolle im Sozialbereich weiter aus und wurde zu einem der größten Träger von Behinderten- und Jugendhilfeeinrichtungen in Nordrhein-Westfalen.

Ein weiterer Schwerpunkt des LWL war die Kulturförderung. Der Verband unterstützte zahlreiche Museen, Archive, Theater und Kultureinrichtungen in Westfalen-Lippe. So wurde unter anderem das LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster zu einer der führenden kulturellen Institutionen in der Region.

Der LWL nach der Wiedervereinigung (1990–heute)

Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 hat der LWL seine Aufgaben weiter ausgeweitet. Im Rahmen der Dezentralisierung und Modernisierung des öffentlichen Dienstes übernahm der Verband zusätzliche Aufgaben in den Bereichen Inklusion, Jugendhilfe, Denkmalpflege und Bildung. Der LWL betreibt heute zahlreiche Förderschulen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen und setzt sich aktiv für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in die Gesellschaft ein.

Ein weiteres wichtiges Arbeitsfeld des LWL ist die psychiatrische Versorgung. Der Verband betreibt mehrere psychiatrische Kliniken in Westfalen-Lippe, die eine umfassende Betreuung und Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen sicherstellen.

Aufgaben und Bedeutung des LWL heute

Der LWL ist heute eine der größten regionalen Körperschaften in Deutschland und erfüllt eine Vielzahl von Aufgaben in den Bereichen Sozialhilfe, Gesundheitswesen, Kultur und Bildung. Zu seinen wichtigsten Aufgaben gehören:

  • Sozialhilfe: Der LWL ist Träger zahlreicher Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen und übernimmt einen Großteil der Eingliederungshilfe in der Region.
  • Gesundheitsversorgung: Der Verband betreibt mehrere psychiatrische Kliniken, die eine zentrale Rolle in der Versorgung psychisch kranker Menschen spielen.
  • Kulturförderung: Der LWL unterstützt Museen, Archive, Denkmäler und kulturelle Einrichtungen und trägt so zur Bewahrung des kulturellen Erbes der Region bei.
  • Bildung und Jugendhilfe: Der LWL betreibt Förderschulen und setzt sich für benachteiligte Jugendliche ein.

Zukunftsperspektiven

Der LWL steht in den kommenden Jahren vor großen Herausforderungen, insbesondere im Bereich der Inklusion und der Integration von Menschen mit Behinderungen. Die demografische Entwicklung und der zunehmende Bedarf an sozialen Dienstleistungen werden den Verband weiterhin stark fordern. Auch im Kulturbereich wird der LWL eine wichtige Rolle spielen, indem er das kulturelle Erbe der Region bewahrt und fördert.

Insgesamt zeigt die Geschichte des LWL, wie sich regionale Selbstverwaltung in Deutschland über die Jahrhunderte entwickelt hat und wie der Verband sich an die Herausforderungen der Zeit angepasst hat. Heute ist der LWL ein modernes Dienstleistungsunternehmen, das eine zentrale Rolle in der sozialen und kulturellen Landschaft Westfalens spielt.

Quellen

  • Was ist der LWL? (ohne Datum) Lwl.org. Verfügbar unter: https://www2.lwl.org/de/LWL/portal/der-lwl-im-ueberblick/was-ist-der-lwl/ (Zugegriffen: 24. September 2024).
  • LWL-Klinik Dortmund – Startseite (ohne Datum) Lwl-klinik-dortmund.de. Verfügbar unter: https://www.lwl-klinik-dortmund.de/de/ (Zugegriffen: 24. September 2024).
  • Startseite (ohne Datum) Lwl-klinik-hemer.de. Verfügbar unter: https://www.lwl-klinik-hemer.de/de/ (Zugegriffen: 24. September 2024).
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