Skalpierungsverletzung

Eine Skalpierungsverletzung ist eine traumatische Ablösung der Kopfhaut vom Schädel durch Zug- oder Scherkräfte, verursacht durch Unfälle oder Gewalt. Sie erfordert sofortige medizinische Versorgung und oft chirurgische Rekonstruktion.

Stephan Wäsche
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Das Bild zeigt eine schwere Skalpierungsverletzung am Hinterkopf nach einem Sturz. Die Kopfhaut ist großflächig abgetrennt, wodurch die Schädelkalotte sichtbar wird.© Foto: Stephan Wäsche (Medirio)

Eine Skalpierungsverletzung ist eine schwerwiegende und traumatische Verletzung, bei der die Kopfhaut vom Schädel abgelöst wird. Diese Verletzungen können partielle oder vollständige Ablösungen der Kopfhaut umfassen und stellen aufgrund der intensiven Durchblutung der Kopfhaut ein lebensgefährliches Szenario dar. Skalpierungsverletzungen gehören zu den seltenen, aber besonders kritischen Verletzungen, die häufig durch Arbeitsunfälle, Verkehrsunfälle oder schwere körperliche Gewalteinwirkungen verursacht werden.

Skalpierungsverletzung
Ausprache (IPA)
[ʃkalˈpiːʁʊŋsˌfɛɐ̯ˈlɛt͡sʊŋ]
Plural
Skalpierungsverletzungen
Englisch
scalping injury
ICD-Klassifikation
S08.0, S01.4, S01.9, T01.1, T00.9, T20 - T25

Definition

Eine Skalpierungsverletzung bezeichnet die teilweise oder vollständige Ablösung der Kopfhaut vom Schädel durch traumatische Einwirkung, etwa bei Unfällen oder Gewalteinwirkungen. Solche Verletzungen führen oft zu massiven Blutungen, da die Kopfhaut stark durchblutet ist. Die Behandlung erfordert sofortige medizinische Maßnahmen, wie Blutstillung, Gewebeerhalt und möglicherweise eine chirurgische Replantation oder Rekonstruktion der Kopfhaut.

Ätiologie und Mechanismus

Skalpierungsverletzungen entstehen in der Regel durch massive Zug- oder Scherkräfte, die auf die Kopfhaut einwirken. Folgende Hauptursachen sind häufig:

  • Industriemaschinen
    Besonders in Fabriken oder Werkstätten, in denen Maschinen mit drehenden Teilen verwendet werden, sind Arbeiter gefährdet. Bei ungenügendem Schutz oder unsachgemäßer Handhabung können Maschinen wie Drehbänke, Pressen oder Förderbänder das Haar erfassen und die Kopfhaut gewaltsam abziehen.
  • Verkehrsunfälle
    Motorrad- oder Fahrradfahrer, die keinen Helm tragen, können bei Unfällen schwere Kopfverletzungen erleiden. Auch Autounfälle, bei denen der Kopf auf harten Oberflächen aufschlägt, können zu Skalpierungsverletzungen führen.
  • Gewalteinwirkungen
    Gewaltsame Angriffe mit scharfen Gegenständen oder extremer Kraftanwendung auf das Haar können ebenfalls Skalpierungen verursachen. Besonders bei Opfern von Angriffen mit Messern oder anderen Waffen ist dies ein Risiko.
  • Stürze
    Bei schweren Stürzen, besonders aus großer Höhe oder auf unebenen Oberflächen, können Zugkräfte an der Kopfhaut entstehen, die zu einer Skalpierung führen. Dies ist besonders bei älteren Menschen oder in Fällen, in denen der Kopf ungünstig aufkommt, der Fall.
  • Haftverletzungen
    Bei unsachgemäß verwendeten Haarverlängerungen oder Perücken, die mit zu viel Kraft oder Klebstoff angebracht werden, kann es zu dauerhaften Schädigungen der Kopfhaut und im Extremfall sogar zu einer Art Skalpierungsverletzung kommen, obwohl diese milder verlaufen.

Anatomische und funktionelle Bedeutung der Kopfhaut

Die Kopfhaut ist anatomisch komplex und besteht aus mehreren Schichten, die zusammenarbeiten, um Schutz, Bewegung und die Aufrechterhaltung wichtiger Funktionen wie Durchblutung und Haarwuchs zu gewährleisten. Die fünf Schichten der Kopfhaut werden oft durch das Akronym “SCALP” beschrieben, das auf die englischen Begriffe der einzelnen Schichten hinweist. Diese Schichten, beginnend von außen nach innen, sind:

  1. Haut
    Die äußerste Schicht enthält Haarfollikel, Schweiß- und Talgdrüsen.
  2. Bindegewebe: Diese Schicht ist dicht und stark durchblutet, was eine schnelle Heilung unterstützt, aber auch die Blutungsgefahr bei Verletzungen erhöht.
  3. Aponeurose: Eine robuste Sehnenschicht, die die Bewegung der Kopfhaut ermöglicht.
  4. Lockeres Bindegewebe: Eine Schicht, die es der Kopfhaut erlaubt, sich auf dem Schädel zu bewegen, aber auch den Bereich bietet, in dem die Skalpierung auftritt.
  5. Periost: Die knöcherne Schicht, die den Schädel bedeckt und schützt.

Bei einer Skalpierung werden in der Regel alle diese Schichten abgetrennt, was das Risiko von schweren Komplikationen erhöht.

Erste Hilfe und Akutversorgung

Die sofortige Versorgung von Skalpierungsverletzungen ist entscheidend, um das Leben des Patienten zu retten und die langfristige Funktionalität und Ästhetik der Kopfhaut zu bewahren. Zu den wichtigsten Maßnahmen, die medizinisches Personal ergreifen muss, gehören:

  • Blutstillung
    Aufgrund der starken Durchblutung der Kopfhaut können Skalpierungsverletzungen zu massiven Blutungen führen, die schnell lebensbedrohlich werden. Druckverbände sind eine erste Maßnahme, um die Blutung zu kontrollieren. Sollte dies nicht ausreichen, müssen chirurgische Maßnahmen zur Blutstillung ergriffen werden.
  • Schmerzmanagement und Schockprävention
    Patienten mit Skalpierungsverletzungen leiden oft unter extremen Schmerzen und einem potenziellen Schockzustand. Eine schnelle Gabe von Schmerzmitteln und Schockprophylaxe sind unerlässlich, um das Wohl des Patienten zu sichern.
  • Erhaltung des abgetrennten Gewebes
    Falls die Kopfhaut teilweise oder vollständig abgetrennt wurde, muss das Gewebe schnellstmöglich in sterilem Zustand aufbewahrt und gekühlt werden, um eine Replantation zu ermöglichen. Es darf jedoch nicht direkt auf Eis gelegt werden, sondern sollte in einem sterilen Beutel in kaltem Wasser oder Eis gelagert werden.
  • Wundreinigung und Infektionsprophylaxe
    Da die Kopfhaut stark durchblutet ist, besteht ein erhöhtes Infektionsrisiko. Eine gründliche Wundreinigung und die Gabe von Antibiotika sind wichtige Maßnahmen zur Infektionsprävention.

Chirurgische Behandlung

Die chirurgische Behandlung von Skalpierungsverletzungen ist eine herausfordernde Aufgabe, die sowohl mikrovaskuläre Expertise als auch plastisch-rekonstruktive Fähigkeiten erfordert. Das Hauptziel besteht darin, die Funktion und das ästhetische Erscheinungsbild der Kopfhaut wiederherzustellen, wobei die lebenswichtige Blutversorgung der abgetrennten Kopfhaut eine zentrale Rolle spielt.

Primäre Behandlungsstrategie

Die chirurgische Behandlung hängt maßgeblich von der Art der Skalpierungsverletzung (partiell oder vollständig) sowie dem Zustand des abgetrennten Gewebes ab. Grundsätzlich gliedert sich die operative Versorgung in drei mögliche Strategien:

  • Replantation der Kopfhaut (mikrochirurgische Replantation)
    Die bevorzugte Methode, wenn die abgetrennte Kopfhaut schnell geborgen wurde und noch gut erhalten ist.
  • Hauttransplantation
    Eine Alternative, wenn eine Replantation nicht möglich ist oder die Kopfhaut irreversibel beschädigt wurde.
  • Rekonstruktive Verfahren
    Diese kommen zum Einsatz, wenn größere Teile der Kopfhaut fehlen und andere Techniken zur Gewebeersatz erforderlich sind.
Skalpierungsverletzung wurde chirurgisch versorgt
Das Bild zeigt eine Skalpierungsverletzung am Hinterkopf, die chirurgisch mit einer durchgehenden Naht verschlossen wurde. Eine Redondrainage führt überschüssige Wundflüssigkeit aus der Wunde ab, um die reibungslose Heilung zu fördern.
© Foto: Stephan Wäsche (Medirio)

Mikrochirurgische Replantation

Wenn die abgetrennte Kopfhaut schnell geborgen und adäquat gekühlt wurde, kann in vielen Fällen eine Replantation durchgeführt werden. Hierbei handelt es sich um die primäre Behandlungsmethode, bei der das Ziel ist, das verlorene Gewebe funktional und ästhetisch wieder anzubringen.

  • Ablauf der Replantation
    • Präoperative Vorbereitung: Der Patient wird stabilisiert, die Wunde gereinigt und die Vitalparameter überwacht. Wichtig ist die rasche Kühlung der abgetrennten Kopfhaut in steriler, feuchter Verpackung bei 4 °C (ohne direkten Kontakt zu Eis). Idealerweise sollte die Replantation innerhalb von 6 Stunden nach der Verletzung erfolgen.
    • Wundsäuberung und Dekontamination: Der abgetrennte Hautlappen und die Wunde am Schädel werden sorgfältig von Verunreinigungen gereinigt, um das Risiko von Infektionen zu minimieren.
    • Blutgefäßanastomosen: Der entscheidende Teil der Replantation besteht in der mikrochirurgischen Wiederherstellung der Blutversorgung. Mithilfe eines Operationsmikroskops verbindet der Chirurg die Arterien und Venen zwischen der Kopfhaut und dem Schädel. Eine oder mehrere Arterien sowie Venen müssen mikrochirurgisch anastomosiert werden, um die Durchblutung sicherzustellen. Dabei müssen mindestens eine Arterie und eine Vene erfolgreich rekonstruiert werden, damit das Gewebe ausreichend versorgt wird.
    • Wiederanheftung des Hautgewebes: Nach der mikrochirurgischen Wiederherstellung der Gefäße wird die Kopfhaut mit feinen chirurgischen Nähten oder Klammern an der Schädeloberfläche befestigt. Die Positionierung erfolgt so, dass eine optimale Blutversorgung und Wundheilung möglich ist.
  • Erfolgskriterien
    • Die Zeit bis zur Replantation spielt eine entscheidende Rolle. Die Kopfhaut hat nur eine begrenzte Zeit, in der sie nach der Trennung überlebensfähig bleibt. Meist beträgt dieses Zeitfenster maximal sechs bis acht Stunden.
    • Ein weiteres Erfolgskriterium ist die Integrität der Blutgefäße. Schäden an den Blutgefäßen, insbesondere durch Zertrümmerungen oder Quetschungen, können die Replantation erschweren.

Hauttransplantation

Wenn die Kopfhaut nicht erfolgreich replantiert werden kann, etwa weil sie zu stark beschädigt ist oder das Zeitfenster für eine Replantation überschritten wurde, wird häufig auf Hauttransplantationen zurückgegriffen. Dabei wird entweder körpereigene Haut oder in einigen Fällen auch synthetisches Material verwendet, um die Wunde zu schließen.

  • Arten der Hauttransplantation
    • Spalthauttransplantation: Bei dieser Methode wird eine dünne Schicht Haut von einer anderen Körperstelle (meist Oberschenkel oder Gesäß) entnommen und auf die Wunde am Kopf transplantiert. Spalthaut eignet sich besonders für große Defekte, da sie eine hohe Überlebensrate hat und sich gut an die Empfängerstelle anpasst.
    • Vollhauttransplantation: Hierbei wird die gesamte Dicke der Haut entnommen und transplantiert. Diese Methode ist weniger gebräuchlich bei großflächigen Skalpierungsverletzungen, da sie eine geringere Überlebensrate hat, bietet aber bessere kosmetische Ergebnisse und ist bei kleineren Defekten oft die Methode der Wahl.

Rekonstruktive Verfahren

Falls die Kopfhaut nicht replantiert oder transplantiert werden kann, oder wenn nach der Heilung größere Defekte verbleiben, kommen rekonstruktive Techniken zum Einsatz, um die Kopfhaut zu rekonstruieren. Dazu gehören:

  • Gewebeexpander
    Ein Ballonartiges Implantat wird unter der verbleibenden Kopfhaut platziert, das langsam aufgeblasen wird, um die Haut zu dehnen. Dadurch wird ein Überschuss an Haut geschaffen, der dann verwendet werden kann, um den Defekt zu schließen.
  • Freie Lappenplastiken
    Dies beinhaltet die Transplantation von Haut und Gewebe aus anderen Körperregionen (z.B. aus dem Rücken oder den Oberschenkeln), um größere Bereiche der Kopfhaut abzudecken. Die Hautlappen werden zusammen mit ihrer Blutversorgung transplantiert, sodass sie an der Empfängerstelle überleben können. Diese Technik wird häufig bei sehr großflächigen Skalpierungsverletzungen eingesetzt.
  • Lokale Hautlappenplastiken
    Bei kleineren Defekten können Hautlappen aus benachbarten Bereichen der Kopfhaut verwendet werden, um die Wunde zu schließen. Dies wird oft bevorzugt, da die Farbe und Textur der transplantierten Haut besser zur Kopfhaut passen.

Komplikationen

Skalpierungsverletzungen, insbesondere schwerwiegende Fälle, können zahlreiche Komplikationen nach sich ziehen, die sowohl kurzfristig als auch langfristig die körperliche und psychische Gesundheit des Patienten beeinträchtigen. Die Komplikationen betreffen verschiedene Bereiche, darunter Wundheilung, Infektionsrisiken, ästhetische Aspekte und psychologische Folgen.

Infektionen

Eine der häufigsten und gefährlichsten Komplikationen bei Skalpierungsverletzungen ist die Infektion. Die Kopfhaut ist ein stark durchblutetes Gewebe, was Infektionen einerseits erleichtern, andererseits aber auch die Ausbreitung einer Infektion beschleunigen kann. Gründe für das hohe Infektionsrisiko sind:

  • Offene Wunden
    Durch die großflächige Ablösung der Haut ist die Wunde meist stark exponiert und damit anfällig für das Eindringen von Bakterien.
  • Kontaminierte Gewebe
    Besonders bei industriellen oder mechanischen Unfällen kann die Kopfhaut mit Schmutz, Maschinenöl oder anderen Fremdkörpern kontaminiert sein.
  • Gewebenekrose
    Wird das Gewebe nicht ausreichend durchblutet, kann es zu Gewebenekrose kommen, bei der abgestorbenes Gewebe die Heilung verzögert und Infektionen begünstigt.

Blutungen und Hämatome

Die Kopfhaut ist stark vaskularisiert, was bedeutet, dass sie eine hohe Anzahl an Blutgefäßen enthält. Bei einer Skalpierungsverletzung besteht daher ein großes Risiko für erhebliche Blutverluste. Komplikationen durch Blutungen umfassen:

  • Massive akute Blutungen
    Diese können zu einem hypovolämischen Schock führen, insbesondere wenn die Verletzung nicht schnell genug behandelt wird.
  • Hämatombildung
    Ein Hämatom, eine Ansammlung von geronnenem Blut, kann sich unter der Kopfhaut oder in den tieferliegenden Schichten bilden. Hämatome können die Durchblutung beeinträchtigen und die Wundheilung behindern.

Gewebenekrose

Bei einer Skalpierungsverletzung kann die Kopfhaut teilweise oder vollständig von der Blutversorgung abgeschnitten werden, was zu Gewebenekrose (abgestorbenes Gewebe) führen kann. Gewebenekrose tritt besonders auf, wenn die Replantation nicht erfolgreich verläuft oder das Gewebe nicht rechtzeitig chirurgisch behandelt wird. Nekrotisches Gewebe verzögert die Heilung und erhöht das Risiko von Infektionen.

  • Partialverlust der Kopfhaut
    Auch nach einer erfolgreichen Replantation kann ein Teil des Gewebes absterben, was zu einem unvollständigen Heilungsprozess führt.
  • Erweiterte chirurgische Eingriffe
    Nekrose kann zusätzliche chirurgische Eingriffe erforderlich machen, einschließlich der Entfernung von abgestorbenem Gewebe und möglicher Gewebe- oder Hauttransplantationen.

Narbenbildung und Keloide

Nach der Heilung bleiben in vielen Fällen Narben zurück. Die Art und Schwere der Narbenbildung hängt von der Größe der Verletzung, dem Heilungsprozess und der individuellen Neigung des Patienten zur Narbenbildung ab. Komplikationen durch Narben umfassen:

  • Hypertrophe Narben
    Diese treten auf, wenn das Narbengewebe übermäßig wächst, jedoch innerhalb der Grenzen der Wunde bleibt.
  • Keloide
    Keloide sind wulstartige Narben, die über die ursprüngliche Wunde hinauswachsen. Sie sind oft dicker und härter und können ästhetisch sehr störend wirken. Patienten mit dunklerer Haut neigen häufiger zur Bildung von Keloiden.
  • Funktionelle Einschränkungen
    Narben können die Beweglichkeit der Kopfhaut einschränken und in seltenen Fällen die Funktionalität der betroffenen Bereiche beeinträchtigen, besonders wenn die Narben großflächig sind.

Dauerhafter Haarverlust

Einer der sichtbarsten und psychisch belastendsten Langzeitfolgen einer Skalpierungsverletzung ist der dauerhafte Haarverlust im betroffenen Gebiet. Dieser tritt auf, wenn die Haarfollikel beschädigt oder zerstört werden, entweder durch die Verletzung selbst oder durch den nachfolgenden chirurgischen Eingriff.

  • Haarfollikelschädigung
    Wenn die Haarfollikel bei der Skalpierung beschädigt oder irreversibel geschädigt wurden, wird in diesem Bereich kein Haar mehr nachwachsen.
  • Dünner werdendes Haar
    Selbst bei weniger schweren Verletzungen kann es zu einer Verdünnung der Haare kommen, da die Kopfhaut nicht mehr die gleiche Dichte an Follikeln besitzt wie zuvor.
  • Psychologische Belastungen
    Haarverlust kann das Selbstbewusstsein der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und zu psychischen Problemen wie Depressionen oder sozialem Rückzug führen.

Gefühlsstörungen (Sensibilitätsstörungen)

Nach einer Skalpierungsverletzung können Nerven in der Kopfhaut beschädigt werden, was zu Sensibilitätsstörungen oder sogar Taubheitsgefühlen führen kann. Diese Komplikationen können auftreten, wenn die peripheren Nerven, die die Kopfhaut versorgen, bei der Verletzung durchtrennt oder geschädigt wurden.

  • Taubheitsgefühle
    In den betroffenen Bereichen kann es zu einem völligen Gefühlsverlust kommen. Dies kann temporär oder dauerhaft sein, je nach dem Ausmaß der Nervenschädigung.
  • Hyperalgesie
    Manche Patienten berichten von einer Überempfindlichkeit gegenüber Berührungen oder Schmerzen in der betroffenen Kopfhautregion.

Ästhetische und psychische Auswirkungen

Die ästhetischen Auswirkungen einer Skalpierungsverletzung sind oft gravierend und können zu erheblichem psychischem Stress führen. Selbst bei erfolgreicher Replantation oder Hauttransplantationen kann das äußere Erscheinungsbild der Kopfhaut stark verändert sein. Die folgenden Faktoren tragen zu den psychischen Belastungen bei:

  • Verändertes Selbstbild
    Da die Kopfhaut und das Haar eine wichtige Rolle im äußeren Erscheinungsbild spielen, kann eine sichtbare Veränderung zu einem stark veränderten Selbstbild führen.
  • Sozialer Rückzug
    Patienten, die unter den ästhetischen Folgen ihrer Verletzung leiden, neigen dazu, sich sozial zu isolieren. Dies kann zu einer Verringerung der Lebensqualität und zu psychischen Problemen wie Depressionen und Angstzuständen führen.
  • Psychologische Unterstützung
    Patienten mit schweren ästhetischen Folgen benötigen häufig psychologische Betreuung, um mit dem veränderten Aussehen und den daraus resultierenden emotionalen Belastungen umzugehen.

Rekonstruktive Komplikationen

Selbst bei erfolgreicher chirurgischer Behandlung und Rekonstruktion der Kopfhaut können Probleme auftreten. Zu den häufigsten rekonstruktiven Komplikationen gehören:

  • Versagen der Replantation
    In einigen Fällen gelingt es nicht, die Kopfhaut erfolgreich zu replantieren, da die Blutgefäße nicht ausreichend durchblutet werden oder das Gewebe abstirbt.
  • Hauttransplantatabstoßung
    Wenn Hauttransplantationen erforderlich sind, besteht das Risiko, dass der Körper das transplantierte Gewebe abstößt, was zu weiteren Operationen führen kann.

Langfristige Nachsorge und Rehabilitation

Die Nachsorge nach einer Skalpierungsverletzung ist komplex und umfasst sowohl physische als auch psychische Aspekte. Dazu gehören:

  • Physiotherapie
    Bei größeren chirurgischen Eingriffen kann Physiotherapie notwendig sein, um die Beweglichkeit und Funktionalität der Kopfhaut und umliegenden Bereiche wiederherzustellen.
  • Psychologische Betreuung
    Aufgrund der sichtbaren Natur der Verletzung und möglicher ästhetischer Auswirkungen leiden viele Patienten unter emotionalem Stress. Psychologische Betreuung und Beratung sind oft notwendig, um mit den langfristigen Auswirkungen der Verletzung umzugehen.
  • Ästhetische und rekonstruktive Chirurgie
    In vielen Fällen sind mehrere ästhetische Eingriffe erforderlich, um das beste Ergebnis für den Patienten zu erzielen.

Prävention

Prävention ist ein entscheidender Faktor, um Skalpierungsverletzungen zu vermeiden. Besonders in gefährdeten Arbeitsumgebungen und bei bestimmten Freizeitaktivitäten sollten Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Diese umfassen:

  • Schutzhelme und Schutzkleidung
    Beim Arbeiten in Umgebungen mit Maschinen, die das Risiko einer Skalpierung bergen, sind Helme und Schutzkleidung unabdingbar.
  • Aufklärung und Schulung
    Regelmäßige Sicherheitsschulungen in industriellen und handwerklichen Berufen können das Risiko solcher Unfälle erheblich reduzieren.

ICD-Klassifikation

Da Skalpierungsverletzungen eine spezifische Form von traumatischen Haut- und Weichteilverletzungen darstellen, werden sie in der ICD-10-Klassifikation meist als offene Wunden oder traumatische Amputationen des Kopfes klassifiziert. Zu den wichtigsten ICD-10-Codes für Skalpierungsverletzungen zählen:

  • S08.0 – Traumatische Amputation von Teilen des Kopfes
    Dieser Code umfasst schwere Verletzungen, bei denen Teile des Kopfes, wie die Kopfhaut, teilweise oder vollständig abgetrennt sind. Skalpierungen werden oft unter diesem Code erfasst, insbesondere wenn die Kopfhaut vollständig abgerissen wurde.
  • S01.4 – Offene Wunde der Kopfhaut
    Skalpierungsverletzungen, bei denen es sich um eine offene Wunde der Kopfhaut handelt, werden in der Regel unter diesem Code klassifiziert. Er bezieht sich auf alle Formen von offenen Wunden an der Kopfhaut, einschließlich solcher durch Abrisse und Trennungen der Haut.
  • S01.9 – Offene Wunde des Kopfes, nicht näher bezeichnet
    Dieser Code kann verwendet werden, wenn die genaue Art der Kopfverletzung nicht spezifiziert ist oder wenn die Verletzung nur allgemein beschrieben wird. Er wird jedoch weniger spezifisch für Skalpierungsverletzungen verwendet, ist aber eine mögliche Kategorie bei unklarer Diagnose.
  • T01.1 – Multiple offene Wunden des Kopfes
    Wenn es sich bei der Skalpierungsverletzung um eine von mehreren Verletzungen des Kopfbereichs handelt, kann dieser Code verwendet werden, insbesondere wenn mehrere Bereiche des Kopfes betroffen sind.
  • T00.9 – Verletzung, die mehrere Körperregionen betrifft, nicht näher bezeichnet
    Wenn die Skalpierungsverletzung in Verbindung mit anderen Verletzungen in verschiedenen Körperregionen auftritt, kann dieser allgemeine Code verwendet werden.
  • T20-T25 – Verbrennungen und Verätzungen des Kopfes (für thermische Skalpierungsverletzungen)
    In seltenen Fällen, wenn eine Skalpierung durch thermische oder chemische Einwirkungen (z. B. extreme Hitze, Verätzungen) entsteht, können die Codes dieser Kategorie angewendet werden. Verbrennungen und Verätzungen könnten auch bei schweren industriellen Unfällen, die zu Skalpierungen führen, eine Rolle spielen.

Etymologie: Skalp

Das Wort „Skalp“ stammt ursprünglich aus dem Französischen („scalp“) und gelangte im 18. Jahrhundert ins Deutsche. Es wurde aus dem englischen „scalp“ übernommen, das wiederum auf das mittelfranzösische Wort „escalper“ zurückgeht, was „den Kopf entblößen“ bedeutet. Der Begriff selbst leitet sich vom lateinischen „scalpellum“ ab, einem Diminutiv von „scalprum“, was „Messer“ oder „Meißel“ bedeutet. In den indigenen Kulturen Nordamerikas wurde das Skalpieren im Krieg praktiziert, um feindliche Krieger zu demütigen oder den Sieg zu zeigen. Durch die Berichte europäischer Siedler verbreitete sich der Begriff in Europa und wurde Teil des medizinischen Vokabulars, um Verletzungen der Kopfhaut zu beschreiben.

Zusammenfassung

Eine Skalpierungsverletzung ist eine schwerwiegende Verletzung, bei der die Kopfhaut durch Zug- oder Scherkräfte teilweise oder vollständig vom Schädel abgelöst wird. Häufige Ursachen sind Maschinen- und Verkehrsunfälle, Gewalteinwirkungen oder Stürze, bei denen die Kopfhaut über harte Flächen gezogen wird. Diese Verletzungen führen oft zu starken Blutungen und einem hohen Infektionsrisiko. Die Behandlung erfordert rasches Handeln, inklusive Blutstillung, Gewebeerhalt und eventuell chirurgische Replantation oder Hauttransplantation. Langfristige Komplikationen können Infektionen, Narbenbildung und Haarausfall sein, oft begleitet von psychischen Belastungen. Schutzmaßnahmen und Prävention sind entscheidend, um das Risiko zu minimieren.

Bei diesem Artikel handelt es sich um ein Gesundheitsthema. Er dient weder der Selbstdiagnose noch ersetzt er eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte zusätzlich den Hinweis zu Gesundheitsthemen beachten!

Quellen

  • Berghaus, A. und Haubner, F. (2016) Plastisch-rekonstruktive Chirurgie der Kopfhaut. Springer-Verlag, Berlin.
  • Kruger, E.A., Su, G.W. und Goldman, M.P. (2014) ‘Scalp injuries and reconstruction’, Seminars in Plastic Surgery, 28(3), pp. 172–180.
  • Chummun, S. und McLean, N.R. (2009) ‘The management of scalp injuries’, Trauma, 11(1), pp. 11-18.
  • Kovacevic, P., Detrez, F. und Creemers, A. (2017) ‘Scalp Avulsion Injuries: A Retrospective Case Study and Literature Review’, Journal of Trauma and Acute Care Surgery, 83(5), pp. 1025-1030.
  • Herrmann, J., Birtel, F.J. und Gohritz, A. (2020) ‘Emergency care in scalp avulsion’, Journal of Plastic, Reconstructive & Aesthetic Surgery, 73(8), pp. 1394-1401.

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