Anamnese

Eine umfassende Anamnese ist der erste Schritt zur Diagnose und Therapie. Sie beleuchtet die Krankengeschichte, Symptome und Lebensgewohnheiten eines Patienten, um eine gezielte Behandlung zu ermöglichen.

Stephan Wäsche 138 Aufrufe
Lesezeit: 11 Min.
Die Anamnese umfasst die systematische Erfassung der Krankengeschichte eines Patienten durch Befragung zu Symptomen, Vorerkrankungen, Lebensstil und Medikamenten, um die Grundlage für Diagnose und Therapie zu schaffen.© Foto: cottonbro studio (Pexels)

Die Anamnese ist ein essenzieller Bestandteil der medizinischen Diagnostik und bildet die Grundlage für viele therapeutische Entscheidungen. Eine sorgfältige und strukturierte Anamneseerhebung kann den diagnostischen Prozess beschleunigen, Fehler vermeiden und die Beziehung zwischen Patient und medizinischem Personal stärken.

Anamnese
Synonym
Krankengeschichte, Fallaufnahme
Ausprache (IPA)
[anamˈneːzə]
Plural
Anamnesen
Englisch
anamnesis
Griechisch
ἀνάμνησις (anámnēsis) = Erinnerung

Definition

Die Anamnese bezeichnet sowohl den Vorgang der systematischen Erhebung medizinisch relevanter Informationen durch den Arzt als auch den Inhalt der erfassten Krankengeschichte eines Patienten. Sie umfasst Daten zu aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, familiären Dispositionen und Lebensumständen. Im Unterschied dazu bezeichnet die Exploration die gezielte, vertiefte Befragung zu spezifischen Aspekten der Krankengeschichte zur Ergänzung der allgemeinen Anamnese.

Hintergrund

Die Bezeichnung “Anamnese” wird in der Medizin sowohl für den Prozess der Erhebung von Informationen durch den Arzt oder das medizinische Fachpersonal als auch für den Inhalt der gewonnenen Krankengeschichte verwendet. Das bedeutet, dass der Begriff sowohl den eigentlichen Vorgang des Erfragens der medizinischen Historie eines Patienten beschreibt als auch das Endergebnis – die dokumentierte Krankengeschichte, die sämtliche relevanten Gesundheitsinformationen des Patienten umfasst.

Wichtig ist hierbei die Abgrenzung zur sogenannten Exploration, die sich durch die gezielte, tiefergehende Erkundung bestimmter Krankheitsaspekte oder spezifischer Symptome auszeichnet. Während die Anamnese oft einen breiten Überblick über den gesundheitlichen Zustand des Patienten bietet, dient die Exploration der detaillierten Untersuchung und Nachforschung in speziellen Bereichen, um zusätzliche, präzisere Informationen zu erhalten. Die Exploration ist somit eine gezielte Ergänzung der Anamnese, die bei Bedarf durchgeführt wird, um diagnostische Lücken zu schließen oder Unsicherheiten zu klären.

Ziel der Anamnese

Eine sorgfältige Anamneseerhebung ist entscheidend für die Planung weiterer diagnostischer Maßnahmen. Durch eine strukturierte Fragestellung läßt sich das Hauptproblem eingrenzen und es kann eine Verdachtsdiagnose vorgenommen werden. Ohne diese gezielte Eingrenzung kann die Diagnostik in falsche Bahnen geraten, da pathologische Befunde, die nicht mit dem eigentlichen Problem des Patienten zusammenhängen, den Arzt fehlleiten können. Zudem bietet die Anamnese die Möglichkeit, den Patienten zu beobachten und wertvolle Hinweise auf den psychischen Zustand, das Bewusstsein oder den Bildungsgrad zu gewinnen, sowie eine erste, orientierende Inspektion durchzuführen (z.B. Gesichtsfarbe, Körperhaltung, Atemgeräusche).

Einteilung

Die Einteilung der Anamnese kann in verschiedene Kategorien unterteilt werden, je nach Befragtem, Gegenstand, Fokus, Fachgebiet und Zeitpunkt. Jede dieser Kategorien hat eine spezifische Bedeutung im medizinischen Kontext und hilft dabei, die Anamnese systematisch zu strukturieren, um relevante Informationen effizient zu sammeln.

Einteilung nach Befragtem

Diese Einteilung richtet sich danach, von wem die Informationen stammen. Je nach Quelle können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden:

  • Eigenanamnese
    Informationen stammen direkt vom Patienten selbst. Der Patient berichtet über seine aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Lebensgewohnheiten und Medikationen. Diese Form ist besonders nützlich, wenn der Patient geistig und körperlich in der Lage ist, umfassende und zuverlässige Angaben zu machen.
  • Fremdanamnese
    Informationen werden von einer dritten Person eingeholt, zum Beispiel von Angehörigen oder Pflegepersonal, insbesondere dann, wenn der Patient nicht in der Lage ist, Auskunft zu geben (z.B. bei Bewusstlosigkeit, Demenz, Sprachbarrieren oder psychischen Erkrankungen).
  • Berufsbezogene Anamnese
    Der Fokus liegt hier auf der beruflichen Tätigkeit des Patienten, insbesondere bei arbeitsbedingten Gesundheitsrisiken, etwa in der Arbeitsmedizin.

Einteilung nach Gegenstand

Diese Kategorisierung betrifft den inhaltlichen Schwerpunkt der Anamnese. Verschiedene Aspekte der Krankengeschichte werden hier systematisch erfasst:

  • Medizinische Anamnese
    Umfasst die Erhebung der aktuellen Beschwerden, der Krankheitsgeschichte, laufender Behandlungen und medizinischer Vorgeschichte, einschließlich chirurgischer Eingriffe, chronischer Erkrankungen und früherer Traumata.
  • Medikamentenanamnese
    Spezieller Fokus auf die aktuelle und frühere Medikation, einschließlich rezeptpflichtiger und frei verkäuflicher Medikamente sowie Nahrungsergänzungsmittel. Auch Allergien und Unverträglichkeiten werden hier erfasst.
  • Familienanamnese
    Erfragt genetische und familiäre Prädispositionen für bestimmte Krankheiten, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Krebserkrankungen.
  • Sozialanamnese
    Hier werden Lebensgewohnheiten des Patienten erfragt, wie Beruf, Lebensstil, Konsum von Alkohol, Nikotin und Drogen sowie psychologische und soziale Stressfaktoren.
  • Psychische Anamnese
    In der psychischen Anamnese wird gezielt nach der emotionalen und psychischen Verfassung des Patienten gefragt. Dabei stehen Symptome wie Ängste, Depressionen, Schlafstörungen, Belastungsreaktionen oder psychotische Symptome im Fokus. Es wird erfasst, ob der Patient unter Stimmungsschwankungen, Veränderungen der Wahrnehmung oder Verhaltensweisen leidet, die auf psychische Erkrankungen hinweisen könnten. Auch frühere psychische Erkrankungen, Traumata und psychosoziale Belastungen werden hier berücksichtigt.

Einteilung nach Fokus

Diese Unterscheidung erfolgt basierend darauf, worauf die Anamnese abzielt:

  • Symptomanamnese
    Diese Form der Anamnese fokussiert sich auf die spezifischen Symptome des Patienten, um eine möglichst genaue Beschreibung der Beschwerden zu erhalten. Hier werden Art, Intensität, Dauer, Lokalisation und mögliche Auslöser der Symptome erfragt.
  • Differentialdiagnostische Anamnese
    Der Fokus liegt auf dem Ausschluss oder der Eingrenzung von möglichen Diagnosen durch gezieltes Nachfragen zu bestimmten Symptomen, Risikofaktoren oder Krankheitsbildern.
  • Psychosoziale Anamnese
    Hier werden die psychischen und sozialen Hintergründe des Patienten detailliert erfasst. Dies umfasst psychische Belastungen, familiäre und soziale Konflikte, finanzielle Sorgen sowie die emotionale und psychische Verfassung des Patienten.

Einteilung nach Fachgebiet

In verschiedenen medizinischen Fachgebieten wird die Anamnese spezifisch auf die jeweiligen Anforderungen und Krankheitsbilder abgestimmt wie beispielsweise:

  • Kardiologische Anamnese
    Spezielle Fragen zur Herzgesundheit, Blutdruck, Atemnot, Brustschmerzen, Herzrhythmusstörungen und familiäre Herzerkrankungen.
  • Gynäkologische Anamnese
    Umfasst Menstruationszyklus, Schwangerschaften, Geburten, Verhütungsmittel, gynäkologische Operationen und familiäre Erkrankungen im Bereich der Gynäkologie (z.B. Brustkrebs).
  • Neurologische Anamnese
    Fragen zur neurologischen Gesundheit, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Krampfanfälle, Bewusstseinsstörungen, sensorische oder motorische Beeinträchtigungen.
  • Psychiatrische Anamnese
    Erfasst psychische Erkrankungen, emotionale Zustände, psychiatrische Vorerkrankungen, Familienanamnese psychischer Erkrankungen sowie aktuelle Stressoren und Belastungen.

Einteilung nach Zeitpunkt

Der Zeitpunkt der Anamneseerhebung bestimmt den Kontext und die Tiefe der Befragung. Je nach Zeitpunkt unterscheidet man:

  • Erstanamnese
    Dies ist die erste umfassende Befragung des Patienten bei der Erstkonsultation. Sie enthält alle wichtigen Informationen über die Krankengeschichte, soziale und familiäre Hintergründe sowie aktuelle Beschwerden.
  • Verlaufsanamnese
    Diese Anamneseform konzentriert sich auf den Verlauf einer bekannten Erkrankung oder eines bereits begonnenen Behandlungsprozesses. Sie wird bei Folgeuntersuchungen erhoben und dokumentiert Veränderungen im Zustand des Patienten.
  • Akutanamnese
    In akuten Notfällen, beispielsweise bei schweren Verletzungen oder akuten Schmerzen, steht eine rasche, fokussierte Erhebung der unmittelbar relevanten Informationen im Vordergrund. Oft beschränkt sich die Anamnese hier auf lebensrettende oder diagnostisch notwendige Details.
  • Episodenhafte Anamnese
    Sie wird durchgeführt, wenn der Patient in regelmäßigen Abständen mit wiederkehrenden Beschwerden zum Arzt kommt, wie beispielsweise bei chronischen Erkrankungen.

Pflegeanamnese

Die Pflegenanamnese nimmt in der medizinischen Versorgung eine besondere Rolle ein und unterscheidet sich deutlich von der ärztlichen Anamnese. Sie zielt darauf ab, die individuellen Pflegebedürfnisse des Patienten zu ermitteln und ist ein zentraler Bestandteil der Pflegeplanung. In einem gesonderten Abschnitt werden die spezifischen Aspekte der Pflegenanamnese beleuchtet, darunter die Erfassung der Alltagskompetenz, der Mobilität, der Ernährung und der psychischen Verfassung. Sie ist entscheidend für eine ganzheitliche, patientenzentrierte Versorgung und bildet die Grundlage für eine effektive Pflegeintervention.

Dokumentation

Die Erfassung der Anamnese im Anamnesebogen ist ein entscheidender Schritt im klinischen Alltag und dient als zentrale Informationsquelle für die medizinische Behandlung, Nachsorge und forensische Relevanz. Eine gut strukturierte, klare und umfassende Dokumentation ermöglicht eine optimale Kommunikation zwischen verschiedenen Fachkräften und bildet die Grundlage für den weiteren Behandlungsverlauf. Hierbei sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, um die Anamnese korrekt und vollständig zu dokumentieren:

Vollständigkeit und Systematik

Die Anamnese sollte stets vollständig und systematisch dokumentiert werden. Eine klare Gliederung nach den relevanten Kategorien (Eigenanamnese, Familienanamnese, Sozialanamnese etc.) sorgt dafür, dass alle wichtigen Informationen nachvollziehbar und in der richtigen Reihenfolge festgehalten werden. Zudem wird durch eine einheitliche Struktur die Kommunikation zwischen den verschiedenen medizinischen Disziplinen erleichtert.

  • Aktuelle Beschwerden
    Symptome, deren Beginn, Dauer, Intensität und mögliche Auslöser.
  • Krankheitsgeschichte
    Frühere Erkrankungen, Operationen, Krankenhausaufenthalte.
  • Medikation
    Laufende und frühere Medikation, Allergien und Unverträglichkeiten.
  • Familienanamnese
    Relevante genetische Dispositionen oder familiäre Erkrankungen.
  • Sozialanamnese
    Lebensgewohnheiten, Beruf, Konsumgewohnheiten (Alkohol, Nikotin, Drogen).
  • Psychische Anamnese
    Emotionale Verfassung, psychische Erkrankungen, psychosoziale Belastungen.

Objektivität

Die Dokumentation der Anamnese sollte immer objektiv und wertfrei erfolgen. Subjektive Eindrücke oder persönliche Vermutungen des behandelnden Arztes sollten vermieden werden. Die Informationen müssen klar, präzise und ohne interpretierende Kommentare festgehalten werden, um eine neutrale Grundlage für die weitere Diagnose und Therapie zu gewährleisten.

Beispiel

  • Richtig: „Der Patient berichtet über starke Kopfschmerzen seit drei Tagen.“
  • Falsch: „Der Patient wirkt ängstlich, die Schmerzen scheinen psychosomatisch zu sein.“

Aktualität und Dynamik

Die Anamnese ist ein dynamischer Prozess, der im Laufe der Behandlung ständig aktualisiert werden muss. Besonders bei chronischen oder komplexen Erkrankungen sollten neue Erkenntnisse und Veränderungen im Zustand des Patienten zeitnah dokumentiert werden. Dies betrifft sowohl neue Symptome als auch Änderungen in der Medikation oder im psychosozialen Umfeld des Patienten.

  • Verlaufsanamnese
    Änderungen und Entwicklungen der Symptome werden regelmäßig dokumentiert.
  • Neue Befunde
    Jedes neue diagnostische Ergebnis oder jede Änderung in der Therapie muss klar festgehalten werden, um den Verlauf der Erkrankung nachvollziehbar zu machen.

Verwendung elektronischer Systeme

Moderne Kliniken und Praxen verwenden zunehmend elektronische Patientendatenverwaltungssysteme (E-Health). Diese Systeme bieten zahlreiche Vorteile in der Anamnesedokumentation, darunter:

  • Schneller Zugriff auf frühere Anamnesen
    Alle relevanten Informationen sind zentral gespeichert und können von verschiedenen Behandlern eingesehen werden.
  • Automatisierte Prozesse
    Vorlagen und strukturierte Eingabemasken erleichtern die systematische Erfassung der Anamnese.
  • Datensicherheit
    Moderne Verschlüsselungstechnologien sorgen dafür, dass sensible Patientendaten geschützt sind.

Einige Herausforderungen elektronischer Systeme betreffen den Datenschutz und die Notwendigkeit, dass medizinisches Personal sicherstellt, dass alle relevanten Informationen korrekt eingegeben werden.

Rechtliche Aspekte und Vertraulichkeit

Die Dokumentation der Anamnese unterliegt strengen rechtlichen Vorgaben, insbesondere im Hinblick auf den Datenschutz (z.B. DSGVO in der EU). Es ist von größter Wichtigkeit, dass die Daten des Patienten vertraulich behandelt und nur von autorisiertem medizinischem Personal eingesehen werden dürfen.

  • Patienteneinwilligung
    Vor Beginn der Anamnese und der Dokumentation ist es erforderlich, die Einwilligung des Patienten zur Erhebung und Speicherung der Daten einzuholen.
  • Aufbewahrungspflichten
    Die Dokumentation muss über einen gesetzlich festgelegten Zeitraum aufbewahrt werden (in der Regel 10 Jahre).
  • Zugriffsbeschränkungen
    Nur medizinisches Personal, das in die Behandlung involviert ist, darf auf die Anamnesedaten zugreifen.

Zusammenarbeit und Kommunikation

Eine gut dokumentierte Anamnese dient nicht nur als Grundlage für die Diagnose, sondern auch als Kommunikationsinstrument zwischen verschiedenen medizinischen Fachrichtungen. Besonders in der interdisziplinären Versorgung, etwa bei komplexen Krankheitsbildern oder in der stationären Behandlung, ist es entscheidend, dass alle beteiligten Fachkräfte Zugang zu den relevanten Informationen haben.

  • Interdisziplinäre Zusammenarbeit
    Die Anamnese muss so dokumentiert werden, dass alle Beteiligten (Ärzte, Pflegekräfte, Therapeuten) die nötigen Informationen schnell und unkompliziert abrufen können.
  • Überweisungen
    Bei der Überweisung des Patienten an einen Spezialisten oder die Übergabe in eine andere Einrichtung ist es wichtig, dass eine vollständige und präzise Anamnese vorliegt, um den nahtlosen Übergang der Behandlung zu gewährleisten.

Qualitätssicherung

Die Qualität der Anamnesedokumentation sollte regelmäßig überprüft werden. Kliniken und Praxen sollten Mechanismen zur Qualitätssicherung implementieren, um sicherzustellen, dass alle relevanten Daten vollständig, präzise und systematisch erfasst werden.

  • Regelmäßige Schulungen
    Das medizinische Personal sollte regelmäßig in den neuesten Techniken und Standards der Anamnesedokumentation geschult werden.
  • Überprüfung und Korrektur
    Die Dokumentation sollte stichprobenartig auf Vollständigkeit und Genauigkeit geprüft werden, um Fehler oder Lücken frühzeitig zu erkennen.

Fallbeispiele

Fallbeispiel 1

Ein 52-jähriger Patient klagt über starke Brustschmerzen. Durch eine sorgfältige Anamnese erfährt der Arzt, dass der Patient Raucher ist, familiär belastet durch koronare Herzkrankheiten und häufig unter Stress leidet. Diese Informationen führen zur Verdachtsdiagnose eines akuten Koronarsyndroms. Nach einer Herzkatheteruntersuchung wird eine signifikante Koronarstenose entdeckt und erfolgreich behandelt.

Fallbeispiel 2

Eine 28-jährige Patientin kommt mit chronischen Bauchschmerzen und Durchfällen in die Praxis. In der Anamnese gibt sie an, dass sie unter starkem beruflichem Stress steht und kürzlich einen familiären Verlust erlitten hat. Dies führt zur Diagnose eines Reizdarmsyndroms mit psychosomatischem Hintergrund, das eine Kombination aus Ernährungsumstellung und psychologischer Unterstützung erfordert.

Etymologie: Anamnese

Der Begriff „Anamnese“ stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern „aná“ (ἀνά, „wieder“) und „mnésis“ (μνήσις, „Erinnerung“) zusammen. Wörtlich bedeutet Anamnese also „Erinnerung“ oder „Wiedererinnerung“. Ursprünglich bezog sich der Begriff auf das Wiederherstellen von Erinnerungen im philosophischen Sinne, insbesondere in der platonischen Philosophie, wo Wissen als „Erinnerung“ an vorherige, vergessene Erfahrungen interpretiert wurde.

In der Medizin hat sich die Bedeutung auf den Prozess ausgeweitet, bei dem der Arzt durch Befragung des Patienten dessen Krankengeschichte (persönliche und familiäre) rekonstruiert. Der Patient erinnert sich an frühere Symptome, Erkrankungen und andere relevante Informationen, die für die Diagnose wichtig sind. Die Anamnese bildet somit die Basis für die medizinische Untersuchung.

Zusammenfassung

Die Anamnese ist ein zentraler Bestandteil der medizinischen Diagnostik und umfasst die systematische Erhebung der Krankengeschichte eines Patienten. Sie bildet die Grundlage für die weitere Diagnostik und Therapieplanung. Durch gezielte Fragen werden Informationen zu aktuellen Beschwerden, Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme, familiären Erkrankungen und sozialen Faktoren gesammelt. Eine gut strukturierte Anamnese dient dazu, das Hauptproblem einzugrenzen und eine erste Verdachtsdiagnose zu stellen. Darüber hinaus bietet sie dem Arzt die Gelegenheit, den Patienten zu beobachten und Hinweise auf den allgemeinen Gesundheitszustand zu erhalten.

Quellen

  • Böhme, G., & Schirmer, G. (2019). Praxis der ärztlichen Anamnese: Lehrbuch für Ärzte und Medizinstudenten. 2. Auflage. Berlin: Springer-Verlag.
  • Schreiber, F. (2021). Der Stellenwert der Anamnese in der modernen Medizin. Deutsches Ärzteblatt, 118(12), S. 785-789.

Teilen
Die mobile Version verlassen