Elektrokardiogramm (EKG)

Ein Elektrokardiogramm (EKG) ist eine medizinische Untersuchung, die die elektrische Aktivität des Herzens aufzeichnet. Es dient zur Diagnose von Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkten und anderen kardialen Erkrankungen.

Stephan Wäsche
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Das Elektrokardiogramm (EKG) misst die elektrische Aktivität des Herzens über Elektroden auf der Haut. Es zeichnet Wellenformen auf, die Depolarisation und Repolarisation des Herzmuskels zeigen und hilft, Herzrhythmus, -frequenz und mögliche Störungen zu diagnostizieren.© Foto: Peakstock (Shutterstock)

Das Elektrokardiogramm (EKG) ist ein unverzichtbares Werkzeug in der modernen Medizin, das die elektrische Aktivität des Herzens aufzeichnet und wertvolle Informationen über Herzfunktion und -gesundheit liefert. Diese nicht-invasive Untersuchung wird routinemäßig bei der Diagnose und Überwachung von Herzkrankheiten eingesetzt und ist sowohl im klinischen als auch im Notfalleinsatz von großer Bedeutung. Für medizinisches Fachpersonal ist das Verständnis der EKG-Interpretation essentiell, um korrekte Diagnosen zu stellen und angemessene Therapien zu initiieren.

Elektrokardiogramm
Synonym
Herzstromkurve, Herzspannungskurve
Ausprache (IPA)
[eˌlektroˌkaʁdioˈɡʁam]
Plural
Elektrokardiogramme
Abkürzung
EKG
Englisch
electrocardiogram, ECG
Griechisch
καρδία (kardía) = Herz; γράμμα (grámma) = Geschriebenes

Definition

Das Elektrokardiogramm (EKG) ist eine medizinische Untersuchung, die die elektrische Aktivität des Herzens misst und aufzeichnet. Über Elektroden, die auf der Haut platziert werden, wird die Erregungsausbreitung im Herzen erfasst. Das EKG zeigt charakteristische Wellenformen wie P-Welle, QRS-Komplex und T-Welle, die verschiedene Phasen des Herzzyklus darstellen. Es dient zur Diagnose von Herzrhythmusstörungen, Ischämien, Infarkten und weiteren kardiologischen Erkrankungen.

Technik und EKG-Ableitungen

Das Elektrokardiogramm (EKG) basiert auf der Messung elektrischer Potenziale, die durch die Aktivität des Herzens erzeugt werden. Diese Spannungsänderungen entstehen durch die Depolarisation und Repolarisation der Herzmuskelzellen während des Herzzyklus. Das EKG misst diese Potenziale an der Körperoberfläche mittels Elektroden, die an definierten Stellen des Körpers angebracht werden. Die EKG-Technik erfordert präzises Wissen über die Anbringung der Elektroden, die richtige Ableitungskonfiguration sowie die Interpretation der resultierenden Daten. Im Folgenden wird die Technik hinter der EKG-Aufzeichnung detailliert beschrieben.

EKG-Ableitungen

Beim Standard-12-Kanal-EKG werden nach dem Ampelprinzip 4 Elektroden an den Extremitäten und 6 Elektroden am Brustkorb befestigt:. Diese Ableitungen sind in zwei Gruppen unterteilt:

  • Extremitätenableitungen:
    • Ableitungen nach Einthoven: I, II, III.
    • Ableitungen nach Goldberger: aVR, aVL, aVF.
  • Brustwandableitungen:
    • Ableitungen V1 bis V6 nach Wilson

Extremitätenableitungen

Die Extremitätenableitungen erfassen die elektrische Aktivität des Herzens in der Frontalebene. Die Elektroden werden an den vier Extremitäten des Körpers angebracht: jeweils eine am rechten und linken Arm sowie am rechten und linken Bein. Die Spannung wird zwischen diesen Elektroden gemessen, und zwar in verschiedenen Kombinationen:

  • Ableitung I: Misst die elektrische Differenz zwischen dem linken Arm (+) und dem rechten Arm (-).
  • Ableitung II: Misst die Differenz zwischen dem linken Bein (+) und dem rechten Arm (-).
  • Ableitung III: Misst die Differenz zwischen dem linken Bein (+) und dem linken Arm (-).

Zusätzlich zu diesen bipolaren Ableitungen gibt es die unipolaren Ableitungen nach Goldberger (aVR, aVL, aVF), die die elektrische Aktivität gegenüber einem sogenannten “neutralen Punkt” erfassen, der aus einer Kombination der anderen Elektroden gebildet wird. Diese Ableitungen geben ebenfalls Informationen über die elektrische Aktivität in der Frontalebene.

Brustwandableitungen

Die Brustwandableitungen (V1 bis V6) messen die elektrische Aktivität des Herzens in der horizontalen Ebene. Die Elektroden werden entlang der Brustwand in genau definierten Positionen platziert:

  • V1: 4. Interkostalraum, rechts des Sternums.
  • V2: 4. Interkostalraum, links des Sternums.
  • V3: Zwischen V2 und V4 auf der linken Brust.
  • V4: 5. Interkostalraum, medioklavikulär.
  • V5: In der Höhe von V4, an der vorderen Axillarlinie.
  • V6: In der Höhe von V4, an der mittleren Axillarlinie.

Jede dieser Ableitungen gibt einen spezifischen Einblick in die elektrische Aktivität verschiedener Bereiche des Herzens. So sind V1 und V2 besonders nützlich, um die Aktivität des rechten Ventrikels zu beurteilen, während V5 und V6 Informationen über die linke Ventrikelaktivität liefern.

EKG-Elektroden (Standardplatzierung an der Brust)
Die Standardpositionen der Brustelektroden für ein 12-Kanal-EKG umfassen sechs spezifische Punkte auf dem Thorax. Sie beginnen am rechten Rand des Brustbeins und verlaufen in einem Bogen um das Herz, wobei sie links entlang der Brust entlang der vorderen und mittleren Axillarlinie platziert werden, um die elektrische Aktivität des Herzens aus verschiedenen Winkeln zu erfassen.

Elektrodenplatzierung und Vorbereitung

Eine korrekte Platzierung der Elektroden ist entscheidend für die Qualität der EKG-Aufzeichnung. Bei falscher Anbringung können Artefakte auftreten oder es kann zu falschen Interpretationen kommen. Im Rahmen der EKG-Vorbereitung sollten medizinisches Fachpersonal folgende Schritte beachten:

  • Hautvorbereitung
    Die Haut muss sauber und fettfrei sein, um eine gute Leitfähigkeit sicherzustellen. Gegebenenfalls sollte die Haut rasiert werden, um den Kontakt der Elektroden zu verbessern.
  • Elektrodenplatzierung
    Die Elektroden sollten fest auf der Haut angebracht werden, um Bewegungsartefakte zu vermeiden. EKG-Gel oder klebende Elektroden verbessern die Leitfähigkeit.
  • Überprüfung der Ableitungen
    Vor Beginn der Aufzeichnung ist es wichtig, die Ableitungen zu überprüfen und sicherzustellen, dass alle Elektroden richtig angeschlossen sind.

EKG-Gerätetechnik

Das EKG-Gerät selbst besteht aus mehreren Komponenten, die zur Erfassung, Verstärkung und Darstellung der elektrischen Signale des Herzens verwendet werden:

  • Verstärker
    Die von den Elektroden empfangenen elektrischen Signale sind sehr schwach, oft im Bereich von Millivolt. Der Verstärker im EKG-Gerät verstärkt diese Signale, sodass sie für die Aufzeichnung und Analyse geeignet sind.
  • Filter
    Moderne EKG-Geräte verfügen über Filter, um Störsignale zu unterdrücken, die durch Muskelaktivität oder externe elektrische Quellen verursacht werden könnten.
  • Schreiber/Display
    Die verstärkten und gefilterten Signale werden entweder digital auf einem Display dargestellt oder auf Thermopapier ausgedruckt. Die EKG-Kurven werden üblicherweise in einem 25 mm/s-Tempo aufgezeichnet, wobei jede kleine Box auf dem EKG-Papier 0,04 Sekunden darstellt.

Aufbau eines normalen Elektrokardiogramms

Ein Standard-EKG zeigt mehrere charakteristische Wellenformen, die jeweils verschiedene Phasen der Herzaktivität repräsentieren. Diese sind:

  • P-Welle
    Repräsentiert die Depolarisation der Vorhöfe. Normalerweise dauert die P-Welle weniger als 120 ms und sollte in Ableitung II positiv sein.
  • PQ-Intervall
    Beschreibt die Zeit von der Vorhofdepolarisation bis zur Erregung der Ventrikel. Es beträgt normalerweise 120 bis 200 ms. Ein verlängertes PQ-Intervall deutet auf eine AV-Blockierung hin.
  • QRS-Komplex
    Repräsentiert die Depolarisation der Ventrikel und ist der prominenteste Teil des EKGs. Der QRS-Komplex dauert in der Regel weniger als 120 ms. Verlängerte QRS-Zeiten oder abnormal geformte Komplexe können auf Leitungsstörungen wie Schenkelblock oder ventrikuläre Hypertrophie hinweisen.
  • ST-Strecke
    Repräsentiert den Zeitraum, in dem die Ventrikel vollständig depolarisiert sind und keine Netto-Ströme auftreten. Abweichungen in der ST-Strecke, wie Hebungen oder Senkungen, sind wichtige Indikatoren für Myokardischämien oder -infarkte.
  • T-Welle
    Repräsentiert die Repolarisation der Ventrikel. Ihre Form und Richtung sind ebenfalls diagnostisch von Bedeutung, da z.B. invertierte T-Wellen auf Ischämie oder ventrikuläre Hypertrophie hinweisen können.
  • QT-Intervall
    Beinhaltet die gesamte elektrische Aktivität der Ventrikel von der Depolarisation bis zur Repolarisation. Es beträgt normalerweise weniger als 440 ms und verlängert sich bei verschiedenen pathologischen Zuständen wie Hypokaliämie oder Medikamentenüberdosierung.

Interpretation und Pathologien des EKG

Die Interpretation eines Elektrokardiogramms (EKG) ist ein komplexer, mehrstufiger Prozess, der fundiertes Wissen über die Physiologie des Herzens und die normalen sowie pathologischen EKG-Muster erfordert. Die EKG-Analyse erfolgt systematisch, um Rhythmusstörungen, Ischämien, Infarkte, Leitungsstörungen und andere kardiale Erkrankungen zu identifizieren. In diesem Abschnitt wird erläutert, wie ein EKG interpretiert wird, und es werden häufige pathologische Befunde vorgestellt.

Systematische EKG-Interpretation

Die Analyse eines Elektrokardiogramms erfolgt in mehreren Schritten, die medizinisches Fachpersonal berücksichtigen muss, um ein vollständiges Bild der Herzfunktion zu erhalten. Diese systematische Herangehensweise hilft, Fehler in der Diagnose zu vermeiden. Die wichtigsten Schritte umfassen:

Bestimmung der Herzfrequenz

Die Herzfrequenz wird üblicherweise in Schlägen pro Minute (BPM) angegeben und kann entweder manuell oder automatisch vom EKG-Gerät berechnet werden. Bei einem normalen Sinusrhythmus beträgt die Herzfrequenz in Ruhe 60 bis 100 Schläge pro Minute. Eine Frequenz über 100 BPM wird als Tachykardie bezeichnet, während eine Frequenz unter 60 BPM als Bradykardie gilt.

Die Frequenz kann auf unterschiedliche Weise ermittelt werden. Die einfachste Methode besteht darin, die Anzahl der großen Kästchen zwischen zwei aufeinanderfolgenden R-Zacken zu zählen und durch 300 zu teilen (bei einer Papiergeschwindigkeit von 25 mm/s).

Rhythmusanalyse

Der Herzrhythmus gibt Auskunft darüber, ob die elektrische Aktivität des Herzens geordnet und regelmäßig ist. Ein normaler Sinusrhythmus zeichnet sich durch die folgenden Merkmale aus:

  • Jede P-Welle wird von einem QRS-Komplex gefolgt.
  • Die P-Wellen sind positiv in Ableitung II und negativ in aVR.
  • Der Abstand zwischen den R-Zacken ist gleichmäßig, was auf einen regelmäßigen Rhythmus hinweist.

Abweichungen davon können auf Arrhythmien hindeuten. Zum Beispiel zeigt ein Vorhofflimmern keine regelmäßigen P-Wellen und einen unregelmäßig-unregelmäßigen Rhythmus.

P-Wellen und Vorhofaktivität

Die P-Welle repräsentiert die Depolarisation der Vorhöfe. Sie sollte in den meisten Ableitungen glatt, positiv und weniger als 120 ms lang sein. Vergrößerte oder doppelt gegipfelte P-Wellen können auf eine Vorhofhypertrophie hindeuten:

  • P mitrale (doppelt gegipfelte P-Wellen) ist ein Zeichen einer linksatrialen Hypertrophie, oft verursacht durch Mitralklappenerkrankungen.
  • P pulmonale (hohe, spitze P-Wellen) deutet auf eine rechtsatriale Hypertrophie hin, häufig durch pulmonale Erkrankungen wie chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) verursacht.

Analyse des PQ-Intervalls

Das PQ-Intervall repräsentiert die Zeit, die für die Überleitung des elektrischen Impulses von den Vorhöfen zu den Ventrikeln benötigt wird. Es beträgt normalerweise 120 bis 200 ms. Ein verlängertes PQ-Intervall kann auf einen AV-Block hinweisen:

  • AV-Block I. Grades
    Verlängertes PQ-Intervall (>200 ms), aber jede P-Welle wird von einem QRS-Komplex gefolgt.
  • AV-Block II. Grades
    Unterteilt in Typ 1 (Wenckebach), bei dem das PQ-Intervall progressiv länger wird, bis ein QRS-Komplex ausfällt, und Typ 2 (Mobitz), bei dem einzelne QRS-Komplexe ohne Verlängerung des PQ-Intervalls ausfallen.
  • AV-Block III. Grades (kompletter Block)
    Vorhöfe und Ventrikel depolarisieren unabhängig voneinander, was zu einem völligen Auseinanderlaufen von P-Wellen und QRS-Komplexen führt.

QRS-Komplex und Ventrikelaktivität

Der QRS-Komplex repräsentiert die Depolarisation der Ventrikel und ist typischerweise weniger als 120 ms breit. Abnorme QRS-Komplexe können auf Leitungsstörungen oder ventrikuläre Hypertrophie hinweisen:

  • Breiter QRS-Komplex (>120 ms)
    Kann auf einen Schenkelblock hinweisen, bei dem die Erregungsleitung in einem der beiden Ventrikelschenkel verzögert ist. Ein Linksschenkelblock (LSB) zeigt sich durch ein verzerrtes R in Ableitungen I und V6, während ein Rechtsschenkelblock (RSB) durch ein rSR’-Muster in Ableitung V1 charakterisiert ist.
  • Hohe R-Zacken
    Diese können auf eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) hinweisen, insbesondere in den Ableitungen V5 und V6. Eine rechtsventrikuläre Hypertrophie (RVH) wird durch hohe R-Zacken in V1 angezeigt.

ST-Strecke und Myokardischämie

Die ST-Strecke ist die Phase, in der die Ventrikel vollständig depolarisiert sind und keine Netto-Ströme auftreten. Veränderungen der ST-Strecke können auf eine Myokardischämie oder einen Myokardinfarkt hinweisen:

  • ST-Strecken-Hebung
    Eine ST-Hebung in bestimmten Ableitungen ist ein klassisches Zeichen eines transmuralen Myokardinfarkts (STEMI). Die betroffenen Ableitungen korrelieren mit dem betroffenen Herzbereich:
    • Anteriorer Infarkt: ST-Hebung in V1 bis V4.
    • Inferiorer Infarkt: ST-Hebung in II, III und aVF.
    • Lateraler Infarkt: ST-Hebung in I, aVL, V5 und V6.
  • ST-Strecken-Senkung
    Eine horizontale oder schräg abfallende ST-Senkung ist ein Hinweis auf eine subendokardiale Ischämie oder instabile Angina.

T-Wellen und Repolarisation

Die T-Welle repräsentiert die Repolarisation der Ventrikel. Veränderungen der T-Wellenform oder -richtung können auf verschiedene pathologische Zustände hinweisen:

  • Inversion der T-Welle
    Kann auf eine Ischämie, Hypertrophie oder Elektrolytstörungen (z. B. Hypokaliämie) hinweisen.
  • Hohe, spitze T-Wellen
    Deuten auf eine Hyperkaliämie hin, ein gefährlicher Zustand, der dringend korrigiert werden muss.

QT-Intervall

Das QT-Intervall misst die gesamte elektrische Aktivität der Ventrikel (Depolarisation bis zur Repolarisation) und sollte bei normalen Herzfrequenzen weniger als 440 ms betragen. Ein verlängertes QT-Intervall erhöht das Risiko für gefährliche ventrikuläre Arrhythmien wie Torsade de Pointes. Ursachen für eine verlängerte QT-Zeit können Hypokaliämie, Hypokalzämie, bestimmte Medikamente oder genetische Störungen sein (z.B. das Long-QT-Syndrom).

Häufige Pathologien im EKG

Nach der systematischen Analyse der verschiedenen Komponenten des Elektrokardiogramms können verschiedene pathologische Muster identifiziert werden. Im Folgenden werden einige der häufigsten Pathologien vorgestellt.

Myokardinfarkt

Der Myokardinfarkt (Herzinfarkt) ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten kardiologischen Notfälle, der im EKG durch ST-Strecken-Veränderungen, pathologische Q-Zacken und T-Wellenveränderungen diagnostiziert wird:

  • ST-Hebungsinfarkt (STEMI)
    Akute, lokale ST-Strecken-Hebungen in den entsprechenden Ableitungen, oft begleitet von T-Wellenveränderungen und der Entwicklung von pathologischen Q-Zacken im späteren Verlauf.
  • Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI)
    Keine ST-Strecken-Hebungen, aber ST-Senkungen oder T-Wellen-Inversionen, kombiniert mit klinischen und labordiagnostischen Hinweisen (z. B. Troponin-Erhöhung).

Vorhofflimmern (VHF)

Vorhofflimmern ist eine häufige Arrhythmie, die durch eine unregelmäßige und oft schnelle Vorhofaktivität gekennzeichnet ist. Es fehlen reguläre P-Wellen, und der Herzrhythmus ist unregelmäßig. VHF erhöht das Risiko für Schlaganfälle und erfordert oft eine Antikoagulation sowie eine rhythmuskontrollierende Therapie.

Herzrhythmusstörungen

Neben Vorhofflimmern gibt es zahlreiche weitere Rhythmusstörungen, die im Elektrokardiogramm sichtbar sind:

  • Vorhofflattern
    Regelmäßige, „sägezahnartige“ P-Wellen und ein typischerweise regelmäßiger Herzrhythmus.
  • Supraventrikuläre Tachykardie (SVT)
    Gekennzeichnet durch eine schmale QRS-Komplex-Tachykardie ohne sichtbare P-Wellen oder mit retrograden P-Wellen.
  • Ventrikuläre Tachykardie (VT)
    Breite QRS-Komplexe und eine Herzfrequenz über 100 BPM, oft mit lebensbedrohlichem Potenzial.

Schenkelblock

Ein Linksschenkelblock (LSB) oder Rechtsschenkelblock (RSB) weist auf eine Blockierung in der elektrischen Überleitung durch den linken oder rechten Ventrikelschenkel hin. Diese Blöcke sind durch charakteristische Veränderungen des QRS-Komplexes gekennzeichnet, wobei ein LSB oft schwerwiegendere Ursachen hat, wie eine koronare Herzkrankheit.

Hypertrophien

Eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) kann durch erhöhte Amplituden der QRS-Komplexe, besonders in den linksseitigen Brustwandableitungen (V5, V6), identifiziert werden. Diese Hypertrophie ist oft die Folge von Bluthochdruck oder Aortenklappenerkrankungen. Eine rechtsventrikuläre Hypertrophie (RVH) zeigt sich durch hohe R-Zacken in den rechtsseitigen Ableitungen (V1, V2) und ist häufig bei pulmonalen Erkrankungen oder angeborenen Herzfehlern zu sehen.

Erweitertes Elektrokardiogramm und Spezielle Techniken

Neben dem Standard-12-Kanal-EKG gibt es erweiterte Elektrokardiogramm-Techniken, die in speziellen klinischen Situationen eingesetzt werden:

  • Langzeit-EKG (Holter-Monitoring)
    Diese Technik ermöglicht die kontinuierliche Aufzeichnung des Elektrokardiogramms über einen Zeitraum von 24 bis 48 Stunden oder länger. Sie ist besonders nützlich, um intermittierende Arrhythmien zu erkennen, die in einem kurzen Ruhe-EKG nicht auftreten.
  • Belastungs-EKG
    Beim Belastungs-EKG wird die Herzaktivität unter physischer Belastung aufgezeichnet. Es wird häufig zur Diagnose von koronaren Herzkrankheiten (KHK) verwendet, da ischämische Veränderungen oft erst unter Belastung sichtbar werden.
  • Event-Recorder
    Dies sind tragbare Geräte, die Patienten verwenden können, um spezifische Episoden aufzuzeichnen, wenn sie Symptome wie Palpitationen oder Schwindel verspüren.

Artefakte und Fehlerquellen

Ein Elektrokardiogramm (EKG) kann durch verschiedene Artefakte und Fehlerquellen beeinflusst werden, die die Genauigkeit und Aussagekraft der Aufzeichnung beeinträchtigen. Eine falsche Interpretation aufgrund solcher Artefakte kann zu Fehlentscheidungen in der Diagnostik und Behandlung führen. Zu den häufigsten Artefakten und Fehlerquellen zählen Muskelbewegungen, elektromagnetische Interferenzen, Atembewegungen, Elektrodenprobleme sowie fehlerhafte Elektrodenplatzierungen. Diese Fehlerquellen sind insbesondere für medizinisches Fachpersonal relevant, da sie das Wissen und die Erfahrung besitzen, um diese Störungen zu erkennen und zu beheben.

Muskelbewegungen (Bewegungsartefakte)

Muskelbewegungen, auch als „Bewegungsartefakte“ bekannt, sind häufige Störfaktoren im Elektrokardiogramm. Sie entstehen durch die elektrische Aktivität der Skelettmuskulatur, die sich in der Nähe der Elektroden befindet. Diese Muskelkontraktionen, auch bei minimalen Bewegungen wie Zittern oder Zuckungen, erzeugen elektrische Signale, die im EKG als wellenartige Verzerrungen oder unscharfe Linien sichtbar werden. Solche Artefakte können das EKG unlesbar machen oder mit echten Herzereignissen wie Arrhythmien verwechselt werden.

Lösung: Patienten sollten während der EKG-Aufzeichnung möglichst ruhig liegen und entspannt sein. In besonderen Fällen, wie bei Zittern durch Kälte, kann eine Wärmedecke helfen, um die Muskelkontraktionen zu reduzieren.

Elektromagnetische Interferenzen (Störsignale)

Elektromagnetische Interferenzen (EMI) sind eine weitere häufige Fehlerquelle. Sie entstehen, wenn externe elektrische Geräte elektromagnetische Felder erzeugen, die von den Elektroden aufgefangen werden. Solche Störungen können durch medizinische Geräte in der Nähe des Patienten (z. B. Infusionspumpen oder Monitoren), aber auch durch alltägliche elektronische Geräte wie Mobiltelefone, Computermonitore oder Beleuchtungssysteme verursacht werden.

Diese Interferenzen äußern sich im Elektrokardiogramm durch gleichmäßiges Rauschen oder regelmäßige, sich wiederholende Wellen, die nicht mit der Herzaktivität korrelieren.

Lösung: Das EKG sollte in einem Umfeld ohne unnötige elektrische Geräte durchgeführt werden. Spezielle Filter im EKG-Gerät können ebenfalls helfen, elektromagnetische Störungen zu minimieren.

Baseline-Drift (Verschiebung der Nulllinie)

Eine Baseline-Drift ist eine wellenartige Bewegung der Nulllinie (Baseline) des EKGs, die durch Atembewegungen oder Änderungen in der Körperposition des Patienten verursacht wird. Diese Drift kann die Interpretation des Elektrokardiogramms erschweren, da wichtige Veränderungen, wie ST-Strecken-Hebungen oder -Senkungen, übersehen oder fehlerhaft interpretiert werden können.

Die Baseline-Drift tritt häufig bei unruhigen Patienten auf, die tief oder unregelmäßig atmen, oder wenn sich der Patient während der Aufzeichnung bewegt.

Lösung: Der Patient sollte aufgefordert werden, während der EKG-Aufzeichnung ruhig und gleichmäßig zu atmen. Zudem kann es helfen, eine stabile und bequeme Position sicherzustellen, damit der Patient sich während der Untersuchung möglichst wenig bewegt.

Elektrodenartefakte (Kontaktstörungen)

Kontaktprobleme an den Elektroden gehören zu den häufigsten Artefakten im Elektrokardiogramm. Diese Störungen können durch schlechte Haftung der Elektroden an der Haut, ausgetrocknetes EKG-Gel, Schwitzen oder Körperbehaarung verursacht werden. Wenn eine Elektrode keinen ausreichenden Hautkontakt hat, entstehen „Wackelartefakte“, die durch unregelmäßige Spitzen oder abrupte Veränderungen im Elektrokardiogramm sichtbar werden.

Lösung: Vor der Platzierung der Elektroden muss die Haut gründlich vorbereitet werden. Dies beinhaltet die Reinigung der Haut mit Alkohol, um Schmutz und Fett zu entfernen. Bei Patienten mit starker Körperbehaarung sollten die entsprechenden Bereiche rasiert werden, um einen optimalen Elektrodenkontakt zu gewährleisten. Das EKG-Gel sollte regelmäßig erneuert werden, insbesondere bei längeren Untersuchungen oder bei stark schwitzenden Patienten.

Fehlerhafte Elektrodenplatzierung

Eine der kritischsten Fehlerquellen im Elektrokardiogramm ist die fehlerhafte Platzierung der Elektroden. Die genaue Platzierung der Elektroden ist entscheidend für die korrekte Erfassung der Herzaktivität in den verschiedenen Ableitungen. Wenn Elektroden falsch platziert werden, kann dies zu falschen oder irreführenden Ergebnissen führen, die die Diagnose von Herzkrankheiten wie Myokardinfarkt, Hypertrophien oder Leitungsstörungen beeinträchtigen.

Typische Fehler:

  • Verwechslung der Elektroden
    Eine häufige Fehlerquelle ist die Vertauschung der Extremitätenelektroden, insbesondere bei den Armen (rechts/links) oder den Beinen. Diese Verwechslung kann zu einem invertierten Bild der elektrischen Aktivität führen.
  • Falsche Positionierung der Brustwandableitungen
    Wenn die Brustwandableitungen (V1 bis V6) nicht in den korrekten Interkostalräumen und an den genauen anatomischen Landmarken angebracht werden, kann dies zu einer verfälschten Darstellung der ventrikulären Aktivität führen, was die Beurteilung von Ischämien, Hypertrophien und anderen pathologischen Zuständen erheblich erschwert.
  • Abweichungen bei adipösen Patienten
    Bei übergewichtigen Patienten kann es aufgrund der veränderten Anatomie schwieriger sein, die Elektroden präzise zu platzieren, was die Qualität der Ableitungen beeinflussen kann.

Folgen der fehlerhaften Platzierung: Eine falsche Elektrodenplatzierung kann zu verschiedenen Missinterpretationen führen, wie z. B.:

  • Falsch-positive Diagnose von Myokardinfarkten aufgrund fälschlicherweise erhöhter ST-Strecken.
  • Falsch-negative Befunde, wenn ischämische Veränderungen in den betroffenen Ableitungen nicht erfasst werden.
  • Veränderungen im QRS-Komplex, die zu Fehldiagnosen von ventrikulären Hypertrophien oder Leitungsstörungen führen können.

Lösung: Die Elektroden sollten gemäß den anatomischen Landmarken sorgfältig platziert werden. Die Ableitungen V1 bis V6 müssen in den richtigen Interkostalräumen und entlang der korrekten Linien (medioklavikulär, vordere und mittlere Axillarlinie) angebracht werden. Bei Unsicherheit sollte das Personal die Platzierung nochmals überprüfen. Es ist auch hilfreich, die EKG-Aufzeichnung regelmäßig zu überprüfen, um Artefakte oder untypische Kurvenformen frühzeitig zu erkennen.

Klinische Bedeutung

Das Elektrokardiogramm ist ein äußerst vielseitiges diagnostisches Werkzeug. In der Notfallmedizin ist es entscheidend zur raschen Erkennung von lebensbedrohlichen Zuständen wie Myokardinfarkt, Herzrhythmusstörungen oder Elektrolytstörungen. Darüber hinaus ist es ein nützliches Monitoring-Instrument bei der Behandlung von Patienten mit chronischen Herzerkrankungen wie Herzinsuffizienz oder KHK.

In der präoperativen Vorbereitung spielt das Elektrokardiogramm eine wichtige Rolle bei der Identifikation potenzieller Herzrisiken vor chirurgischen Eingriffen. Ebenso wird es in der Pharmakotherapie genutzt, um die Auswirkungen von Medikamenten, insbesondere antiarrhythmischen Substanzen, auf die Herzfunktion zu überwachen.

Zusammenfassung

Das Elektrokardiogramm (EKG) misst die elektrische Aktivität des Herzens und ist ein unverzichtbares Diagnosewerkzeug in der Medizin. Es zeichnet typische Wellenformen wie P-Welle, QRS-Komplex und T-Welle auf, die verschiedene Phasen der Herzaktivität darstellen. Die EKG-Analyse hilft bei der Diagnose von Arrhythmien, Myokardinfarkten, Schenkelblockaden und Hypertrophien. Neben dem Ruhe-EKG gibt es Spezialtechniken wie das Langzeit- und Belastungs-EKG. In der Notfallmedizin und für die Überwachung chronischer Herzerkrankungen ist das Elektrokardiogramm unverzichtbar, da es schnelle und präzise Informationen über die Herzfunktion liefert.

Quellen

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