Fünf Sterbephasen nach Kübler-Ross

Das Modell der fünf Sterbephasen nach Kübler-Ross beschreibt die emotionalen Stadien, die Sterbende durchlaufen: Verleugnung, Wut, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Es hilft, den Trauerprozess zu verstehen.

Stephan Wäsche
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Elisabeth Kübler-Ross entwickelte 1969 das Modell der fünf Sterbephasen: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Diese Phasen beschreiben emotionale Reaktionen Sterbender auf ihre Diagnose.© Foto: Stephan Wäsche (Medirio)

Die Sterbephasen nach Elisabeth Kübler-Ross sind ein bedeutendes Konzept in der Thanatologie und werden häufig in der Palliativ- und Hospizbetreuung sowie in der Pflege verwendet. Das Modell wurde erstmals 1969 in ihrem Buch “On Death and Dying” vorgestellt und beschreibt fünf Phasen, die Menschen durchlaufen können, wenn sie mit der Realität des Todes konfrontiert sind. Diese Phasen umfassen: Verleugnung, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz.

Hintergrund und Geschichte

Einführung in die Thanatologie

Die Wissenschaft des Todes und des Sterbens, bekannt als Thanatologie, umfasst eine breite Palette von Disziplinen, darunter Medizin, Psychologie, Soziologie und Philosophie. Ein bedeutender Beitrag zur Thanatologie kam von Dr. Elisabeth Kübler-Ross, deren Modell der fünf Sterbephasen einen paradigmatischen Wandel in der Art und Weise markierte, wie Fachkräfte und die Gesellschaft insgesamt über den Sterbeprozess denken und damit umgehen.

Wer war Elisabeth Kübler-Ross?

Elisabeth Kübler-Ross wurde am 8. Juli 1926 in Zürich, Schweiz, geboren. Sie studierte Medizin an der Universität Zürich und spezialisierte sich auf Psychiatrie. Ihre Erfahrungen als Medizinstudentin, insbesondere die Beobachtungen des Sterbens und der damit verbundenen Isolation in Krankenhäusern, prägten ihren späteren wissenschaftlichen und humanitären Weg. In den 1950er Jahren zog sie in die USA, wo sie an verschiedenen psychiatrischen Einrichtungen arbeitete und schließlich ihre bahnbrechenden Forschungen zum Sterbeprozess begann.

Entwicklung des Modells der fünf Phasen

Kübler-Ross begann ihre Arbeit über den Sterbeprozess in den 1960er Jahren, als sie an der University of Colorado Medical School lehrte. Ihre Begegnungen mit sterbenden Patienten führten sie zu der Überzeugung, dass die medizinische Gemeinschaft nicht ausreichend auf die emotionalen und psychologischen Bedürfnisse dieser Patienten einging. Sie führte zahlreiche Interviews mit Sterbenden durch und konnte so ihre Beobachtungen systematisieren. 1969 veröffentlichte sie das Buch “On Death and Dying”, in dem sie das Modell der fünf Sterbephasen vorstellte.

Die fünf Phasen des Sterbens nach Kübler-Ross

1. Verleugnung (Denial)

Verleugnung ist oft die erste Reaktion auf eine lebensbedrohliche Diagnose. Patienten können die Realität der Situation nicht akzeptieren und versuchen, die Tatsache zu ignorieren oder herunterzuspielen. Verleugnung dient als Schutzmechanismus, um den ersten Schock abzufangen und die Psyche zu stabilisieren.

Relevanz für medizinisches Fachpersonal
Es ist wichtig, dass Ärzte und Pflegepersonal geduldig und einfühlsam sind. Sie sollten den Patienten Raum geben, ihre Gefühle auszudrücken, und gleichzeitig behutsam und ehrlich über die Situation informieren.

2. Zorn (Anger)

Wenn die Verleugnung nicht mehr aufrechterhalten werden kann, kann der Patient wütend werden. Diese Wut kann sich gegen Ärzte, Pflegepersonal, Angehörige oder sogar gegen sich selbst richten. Oft ist sie ein Ausdruck von Frustration und Hilflosigkeit.

Relevanz für medizinisches Fachpersonal
Fachkräfte sollten verstehen, dass Wut eine normale Reaktion auf Stress und Verlust ist. Empathie und Zuhören sind in dieser Phase entscheidend. Es ist wichtig, die Gefühle des Patienten nicht persönlich zu nehmen und ihm zu helfen, seine Wut konstruktiv zu äußern.

3. Verhandeln (Bargaining)

In dieser Phase versuchen Patienten, durch Verhandlungen mit Gott, dem Schicksal oder anderen höheren Mächten die unausweichliche Realität zu vermeiden. Dies kann in Form von Versprechen oder „Deals“ geschehen, die sie bereit sind einzugehen, um mehr Zeit oder Heilung zu erhalten.

Relevanz für medizinisches Fachpersonal
Diese Phase kann subtil sein und oft in stillen Momenten oder Gebeten des Patienten stattfinden. Ärzte und Pflegekräfte sollten darauf vorbereitet sein, solche Äußerungen zu erkennen und den Patienten in seiner spirituellen oder emotionalen Not zu unterstützen.

4. Depression

Wenn Verhandlungen nicht mehr funktionieren, folgt oft eine Phase tiefer Traurigkeit und Depression. Der Patient erkennt die Unausweichlichkeit der Situation und beginnt, den Verlust zu betrauern. Dies kann sich in Form von Hoffnungslosigkeit, Trauer und Rückzug manifestieren.

Relevanz für medizinisches Fachpersonal
In dieser Phase ist es wichtig, emotionale Unterstützung zu bieten. Fachpersonal sollte aktiv zuhören und dem Patienten Raum geben, seine Trauer zu verarbeiten. Manchmal kann eine Überweisung an einen Psychologen oder Seelsorger notwendig sein.

5. Akzeptanz (Acceptance)

In der letzten Phase erreicht der Patient einen Zustand des Friedens und der Akzeptanz. Er akzeptiert die Realität des bevorstehenden Todes und kann sich darauf vorbereiten. Diese Phase ist durch eine gewisse Ruhe und Gelassenheit gekennzeichnet.

Relevanz für medizinisches Fachpersonal
Fachkräfte sollten diese Phase unterstützen, indem sie weiterhin einfühlsam und präsent sind. Die Pflege sollte auf die Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet sein, um ihm ein möglichst würdevolles und schmerzfreies Sterben zu ermöglichen.

Change-Kurve: Sterbephasen nach Kübler-Ross
Die Change-Kurve nach Kübler-Ross zeigt die emotionalen Phasen, die Menschen beim Sterben oder bei Verlust durchlaufen. Sie umfasst Leugen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz.
© Grafik: Stephan Wäsche (Medirio)

Praktische Implikationen für medizinisches Fachpersonal

Kommunikation

Eine klare, einfühlsame und ehrliche Kommunikation ist entscheidend. Fachpersonal muss in der Lage sein, schwierige Gespräche über den Zustand und die Prognose des Patienten zu führen, während sie gleichzeitig emotionale Unterstützung bieten.

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Eine effektive Betreuung von sterbenden Patienten erfordert die Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams, einschließlich Ärzten, Pflegekräften, Sozialarbeitern, Seelsorgern und Psychologen. Diese Teams können umfassende Unterstützung bieten und sicherstellen, dass alle Bedürfnisse des Patienten berücksichtigt werden.

Schulung und Fortbildung

Medizinisches Fachpersonal sollte regelmäßig in Themen der Palliativpflege und Kommunikation geschult werden. Dies hilft ihnen, besser auf die emotionalen und psychologischen Bedürfnisse sterbender Patienten einzugehen.

Einfluss und Weiterentwicklung des Modells

Das Modell von Kübler-Ross hatte weitreichende Auswirkungen auf die Palliativpflege und die Hospizbewegung. Es brachte ein neues Bewusstsein für die Bedürfnisse sterbender Patienten und förderte die Entwicklung von emotionaler und psychologischer Unterstützung in der medizinischen Betreuung.

Kritiker des Modells argumentieren, dass die Phasen nicht strikt linear verlaufen und dass nicht jeder Patient alle Phasen durchläuft. Zudem betonen einige, dass kulturelle Unterschiede die Art und Weise beeinflussen können, wie Menschen mit dem Sterben umgehen. Trotz dieser Kritik bleibt das Modell eine wichtige Grundlage für das Verständnis des Sterbeprozesses und dient weiterhin als hilfreiches Werkzeug für Fachkräfte in der Palliativpflege.

Bedeutung für die moderne Medizin

Das Werk von Kübler-Ross hat die Sichtweise der medizinischen Gemeinschaft auf den Sterbeprozess revolutioniert. Es hat zur Einführung von Schulungen und Programmen geführt, die darauf abzielen, die emotionalen und psychologischen Bedürfnisse sterbender Patienten besser zu verstehen und zu unterstützen. Heute sind Palliativpflege und Hospizeinrichtungen, die auf den Prinzipien der ganzheitlichen Betreuung basieren, weltweit verbreitet.

Zusammenfassung

Die Sterbephasen nach Kübler-Ross umfassen fünf Stadien, die Menschen durchlaufen, wenn sie mit dem Tod konfrontiert sind: Verleugnung, Zorn, Verhandeln, Depression und Akzeptanz. Verleugnung ist die anfängliche Weigerung, die Realität zu akzeptieren. Zorn folgt, oft als Reaktion auf das Unverständnis und die Ungerechtigkeit der Situation. Verhandeln ist der Versuch, durch Versprechen oder Gebete das Unvermeidliche zu vermeiden. Depression tritt auf, wenn die Hoffnung schwindet und tiefe Traurigkeit einsetzt. Schließlich erreicht der Patient Akzeptanz, einen Zustand des inneren Friedens und der Vorbereitung auf das Ende.

Quellen

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