Galen

Galen von Pergamon (129–216 n. Chr.) war ein bedeutender Arzt der Antike, dessen Theorien zu Anatomie, Physiologie und der Vier-Säfte-Lehre die Medizin über ein Jahrtausend prägten, besonders im Mittelalter.

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Galen hinterließ bedeutende Werke wie "De Methodo Medendi" (Krankheitsbehandlung), "De Usu Partium" (Organfunktionen) und "De Sanitate Tuenda" (Gesundheitsvorsorge), die die Medizin prägten.© Foto: Stephan Wäsche (Medirio)

Galen von Pergamon, lateinisch Claudius Galenus, wurde um das Jahr 129 n. Chr. in der griechischen Stadt Pergamon geboren und starb um 216 n. Chr. Er war einer der einflussreichsten Ärzte der Antike und prägte das medizinische Wissen und die Praxis Europas sowie der islamischen Welt bis in die Neuzeit. Seine Werke zur Anatomie, Physiologie, Pathologie und Pharmakologie bildeten über ein Jahrtausend lang die Basis der westlichen Medizin. Mit seinen umfassenden Studien und Schriften schuf Galen eine Synthese der damals bekannten medizinischen Theorien und erweiterte sie durch eigene Erkenntnisse, was die Grundlage für den späteren „Galenismus“ legte, ein medizinisches System, das in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Medizin dominierte.

Galen von Pergamon
Beruf
griechischer Arzt und Anatom
Geboren
um 129 v. nChr. in Pergamon (heutige Türkei)
Gestorben
um 216 n. Chr. in Misilmeri, Italien

Kindheit, Bildung und frühe Karriere

Galen wurde in eine wohlhabende Familie in Pergamon geboren, einer Stadt, die bekannt war für ihr Asclepieion, ein großes Heiligtum des Heilgottes Asklepios und eines der berühmtesten medizinischen Zentren der Antike. Sein Vater Nicon, ein gebildeter Architekt und Mathematiker, war ein großer Befürworter der Ausbildung seines Sohnes und legte viel Wert darauf, dass Galen in verschiedenen Disziplinen unterrichtet wurde, darunter Philosophie, Rhetorik und Logik. Dieser breite Bildungsansatz beeinflusste Galens späteres medizinisches Werk maßgeblich.

Im Alter von 16 Jahren begann Galen sein Medizinstudium, zunächst unter lokalen Ärzten in Pergamon. Nach dem Tod seines Vaters um das Jahr 148 n. Chr. begann er eine längere Studienreise durch das Römische Reich, um seine medizinische Ausbildung zu vervollständigen. Er besuchte medizinische Zentren in Smyrna, Korinth und insbesondere Alexandria, das als das wichtigste Zentrum medizinischer Lehre der damaligen Zeit galt. In Alexandria vertiefte Galen seine Kenntnisse in Anatomie und Physiologie, obwohl menschliche Sektionen verboten waren, und konzentrierte sich auf Tierstudien, vor allem an Affen und Schweinen.

Nach Abschluss seines Studiums kehrte Galen nach Pergamon zurück und wurde dort 157 n. Chr. zum Arzt der Gladiatoren ernannt. Diese Position ermöglichte ihm, sich intensiv mit der Behandlung von Verletzungen zu beschäftigen, insbesondere Knochenbrüche und Muskelverletzungen, die er bei den oft schwer verwundeten Kämpfern behandeln musste. Diese praktische Erfahrung trug erheblich zu seinem Wissen in der Chirurgie und Traumatologie bei.

Der Umzug nach Rom und die Etablierung als Arzt

Im Jahr 162 n. Chr. zog Galen nach Rom, das zu dieser Zeit das Zentrum des politischen und kulturellen Lebens im römischen Reich war. Rom bot ihm die Möglichkeit, seine Fähigkeiten und sein Wissen einer größeren und einflussreicheren Klientel anzubieten. Er erlangte schnell Bekanntheit und Anerkennung für seine medizinischen Fähigkeiten und behandelte Mitglieder der römischen Elite. Seine Praxis in Rom machte ihn zu einem der gefragtesten Ärzte seiner Zeit. Schließlich wurde er sogar Leibarzt am kaiserlichen Hof und betreute Kaiser Marcus Aurelius sowie dessen Sohn Commodus. Diese prestigeträchtige Position verschaffte ihm nicht nur Ruhm, sondern ermöglichte es ihm auch, seine Theorien und Ansichten über Medizin und Philosophie in weiten Teilen des Reiches zu verbreiten.ft verbunden, und sein Werk bleibt ein faszinierendes Zeugnis des medizinischen Wissens der Antike.

Die medizinischen Theorien Galens

Galen war ein systematischer Denker und praktizierender Arzt, der sich intensiv mit verschiedenen Aspekten der Medizin beschäftigte. Einige der zentralen Säulen seiner Lehren waren:

Die Vier-Säfte-Lehre

Die Vier-Säfte-Lehre(auch Humoralpathologie), ursprünglich von Hippokrates entwickelt, spielte eine zentrale Rolle in Galens medizinischem System. Er adaptierte und erweiterte die Lehre, die besagt, dass das Gleichgewicht der vier Körpersäfte – Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle – den Gesundheitszustand eines Menschen bestimmt. Ein Ungleichgewicht dieser Säfte, das durch äußere Einflüsse wie Ernährung, Klima oder Emotionen verursacht werden konnte, führte zu Krankheiten. Galen war überzeugt, dass der Schlüssel zur Heilung in der Wiederherstellung des Säftegleichgewichts lag, was er durch Aderlässe, Schröpfen oder spezielle Diäten zu erreichen versuchte. Diese Lehre prägte die westliche Medizin bis ins 19. Jahrhundert.

Anatomie und Physiologie

Galen war ein Pionier der Anatomie und Physiologie. Obwohl die Sektion menschlicher Leichen im antiken Rom verboten war, führte er detaillierte Studien an Tieren durch, insbesondere an Affen, Schweinen und Schafen. Seine anatomischen Forschungen halfen ihm, viele wichtige Funktionen des Körpers zu verstehen, darunter die Funktion der Lunge, des Herzens, der Nieren und des Nervensystems.

Er machte bedeutende Entdeckungen über das Nervensystem und wies nach, dass das Gehirn und nicht das Herz das Zentrum der geistigen Funktionen ist – eine Theorie, die der damals weit verbreiteten Ansicht widersprach, dass das Herz das Zentrum der Emotionen und des Denkens sei. Galen konnte auch zeigen, dass bestimmte Nerven direkt mit der Wirbelsäule verbunden sind und die Kontrolle über die Muskeln ausüben.

Ein berühmter Fehler in Galens Werk war seine Theorie über das Blut. Aufgrund seiner Studien an Tieren kam er zu der Schlussfolgerung, dass das Blut in der Leber produziert und über die Venen in den Körper verteilt wird. Dieses Missverständnis hielt sich bis ins 17. Jahrhundert, als William Harvey den Blutkreislauf korrekt beschrieb.

Pharmakologie und die Lehre von Heilmitteln

Galen leistete auch wichtige Beiträge zur Pharmakologie und Therapeutik. Er entwickelte und verfeinerte zahlreiche Arzneimittel und war ein Verfechter der polypharmazeutischen Therapie, bei der mehrere Substanzen kombiniert wurden, um Krankheiten zu behandeln. Seine Rezepte und Formeln wurden von Generationen von Ärzten verwendet, und der Begriff “Galenik” – eine Bezeichnung für die Zubereitung von Arzneimitteln – leitet sich von seinem Namen ab.

Galen betonte, dass die individuelle Konstitution des Patienten bei der Wahl der Behandlung eine Rolle spielt. Er war der Ansicht, dass das beste Heilmittel nicht nur die Symptome der Krankheit lindern sollte, sondern auch im Einklang mit den spezifischen Bedürfnissen des Patienten stehen müsse, was eine detaillierte Diagnostik erforderte.

Chirurgie und Traumabehandlung

Durch seine Arbeit als Arzt der Gladiatoren erwarb Galen beträchtliche chirurgische Erfahrung. Er führte chirurgische Eingriffe durch, die in der damaligen Zeit äußerst innovativ waren, darunter Operationen am Auge und an der Wirbelsäule. Seine Techniken zur Behandlung von Knochenbrüchen und offenen Wunden waren bahnbrechend und blieben über Jahrhunderte hinweg Standard in der medizinischen Praxis.

Einfluss auf die Medizin des Mittelalters und der Renaissance

Galens Einfluss auf die Medizin war im gesamten Mittelalter und der frühen Neuzeit allgegenwärtig. Im Byzantinischen Reich, in der islamischen Welt und im mittelalterlichen Europa wurden seine Werke als maßgebliche Autorität angesehen. Besonders in der islamischen Welt, wo seine Schriften von Gelehrten wie Avicenna und Rhazes intensiv studiert und kommentiert wurden, spielte er eine herausragende Rolle. Diese islamischen Ärzte überlieferten seine Lehren in das mittelalterliche Europa, wo seine Werke an den ersten Universitäten des 12. Jahrhunderts Teil des medizinischen Kanons wurden.

Galenische Medizin war geprägt von der Vorstellung, dass jede Krankheit und jede Behandlung in den Kontext der Vier-Säfte-Lehre und der individuellen Konstitution des Patienten gestellt werden musste. Dieser Ansatz führte dazu, dass Ärzte den ganzen Menschen betrachteten, einschließlich seiner psychischen und physischen Verfassung, seiner Lebensweise und seiner Umwelt.

Galens Werk und seine Schriften

Galen hinterließ ein gewaltiges schriftliches Erbe. Seine Werke umfassten Themen wie Anatomie, Physiologie, Pathologie, Therapie und Philosophie. Obwohl viele seiner Originalschriften im Laufe der Geschichte verloren gingen, blieben viele durch arabische Übersetzungen erhalten. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen:

  • De Methodo Medendi
    Eine Abhandlung über die medizinischen Methoden zur Behandlung von Krankheiten.
  • De Usu Partium Corporis Humani
    Ein Werk, das die Funktion der menschlichen Körperteile beschreibt.
  • De Naturalibus Facultatibus
    Galens Abhandlung über die natürlichen Kräfte des Körpers, wie Verdauung und Atmung.
  • De Sanitate Tuenda
    Ein Buch über die Prävention von Krankheiten durch eine ausgewogene Lebensführung.

Das Vermächtnis Galens

Trotz der späteren Kritik an seinen Theorien – insbesondere durch Andreas Vesalius, der im 16. Jahrhundert die anatomischen Fehler in Galens Werk aufdeckte – bleibt sein Einfluss auf die medizinische Geschichte tiefgreifend. Galens Schriften schufen die Grundlage für die wissenschaftliche Medizin und prägten das Verständnis der Anatomie und Physiologie über viele Jahrhunderte hinweg. Sein systematischer Ansatz und seine Betonung der Beobachtung und Empirie machten ihn zu einem der bedeutendsten Ärzte der Antike und einem der einflussreichsten Mediziner in der Geschichte.

Quellen und Literatur

  • Singer, P. N. u. a. (2024) The Oxford Handbook of Galen. London, England: Oxford University Press.
  • Brock, A., 2008. Galen: Anatomie und Physiologie in der Antike. Berlin: Springer.
  • Harris, C., 2014. Galen und die Entwicklung der Medizin. München: Beck.
  • Jouanna, J., 1999. Hippokrates und die Medizin der Antike. 2. Auflage. Stuttgart: Steiner.
  • Nutton, V., 2012. Ancient Medicine. 2. Auflage. London: Routledge.
  • Smith, W.D., 1979. The Hippocratic Tradition. Baltimore: Johns Hopkins University Press.
  • von Staden, H., 1994. Herophilus: The Art of Medicine in Early Alexandria. Cambridge: Cambridge University Press.

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