Krankenversicherung

Die Krankenversicherung in Deutschland ist ein Sozialsystem, das medizinische Versorgung sicherstellt. Es umfasst die gesetzliche (GKV) und private (PKV) Krankenversicherung, basierend auf Solidarität bzw. Äquivalenzprinzip.

Stephan Wäsche
Stephan Wäsche 20 Aufrufe
Lesezeit: 10 Min.
Die Krankenversicherung in Deutschland gliedert sich in die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV), basierend auf dem Solidaritätsprinzip, und die Private Krankenversicherung (PKV), basierend auf dem Äquivalenzprinzip.© freepik

Die Krankenversicherung in Deutschland ist ein wesentlicher Bestandteil des Sozialsystems und gewährleistet die medizinische Versorgung der Bevölkerung. Sie basiert auf dem Solidaritätsprinzip, bei dem die Versicherten gemeinschaftlich für die Kosten aufkommen. Das System umfasst die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für die Mehrheit der Bevölkerung und die private Krankenversicherung (PKV) für bestimmte Gruppen. Seit ihrer Einführung im 19. Jahrhundert hat sich die Krankenversicherung stetig weiterentwickelt und steht heute vor Herausforderungen wie demografischem Wandel, steigenden Kosten und der Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Krankenversicherung
Ausprache (IPA)
[kʁaŋkn̩fɛɐ̯ˌzɪçəʁʊŋ]
Plural
Krankenversicherungen
Abkürzung
KV
Englisch
health insurance

Definition

Die Krankenversicherung ist eine Absicherung gegen die finanziellen Risiken von Krankheit und Unfall. Sie übernimmt die Kosten für medizinische Behandlungen, Medikamente und Vorsorge. In Deutschland besteht sie aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der privaten Krankenversicherung (PKV), mit unterschiedlichen Beitrags- und Leistungsstrukturen.

Historische Entwicklung

Die Geschichte der Krankenversicherung in Deutschland reicht bis ins späte 19. Jahrhundert zurück. Ein Meilenstein war die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Sozialistengesetz von 1883, das von Reichskanzler Otto von Bismarck initiiert wurde. Dies war Teil eines größeren Pakets sozialpolitischer Maßnahmen, zu denen auch die Unfall- und Rentenversicherung gehörten. Ziel dieser Maßnahmen war es, soziale Unruhen zu mindern und den Einfluss sozialistischer Bewegungen zu verringern.

Die Krankenversicherung richtete sich zunächst an Arbeiter und Angestellte mit niedrigem Einkommen. Die Arbeitgeber waren verpflichtet, die Beiträge für ihre Angestellten zu zahlen, während die Arbeitnehmer ebenfalls einen Anteil leisten mussten. Die Leistungen waren anfangs auf die Grundversorgung beschränkt und umfassten Arztbesuche, Medikamente und Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit. Über die Jahrzehnte wurde das System kontinuierlich ausgebaut und die Leistungen erweitert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das System in der Bundesrepublik Deutschland weiterentwickelt und ausgebaut. In der DDR bestand ebenfalls ein staatlich kontrolliertes Gesundheitssystem, das jedoch nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 in das westdeutsche System integriert wurde.

Grundprinzipien der Krankenversicherung

Die Krankenversicherung in Deutschland basiert auf mehreren Prinzipien, die ihre Funktionsweise prägen:

Solidaritätsprinzip

Das Solidaritätsprinzip ist das Herzstück des deutschen Krankenversicherungssystems. Es bedeutet, dass die Versicherten gemeinsam das Risiko von Krankheit und die damit verbundenen Kosten tragen. Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) richten sich nach dem Einkommen des Versicherten, nicht nach seinem Gesundheitszustand oder individuellen Risiko. Dies ermöglicht es, dass auch kranke und ältere Menschen Zugang zu medizinischen Leistungen haben, ohne dass ihnen durch hohe Beiträge die finanzielle Belastung zu groß wird.

Äquivalenzprinzip

Im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung folgt die private Krankenversicherung (PKV) dem Äquivalenzprinzip. Das bedeutet, dass die Beiträge in der PKV individuell kalkuliert werden und sich nach dem Risiko und den gewünschten Leistungen richten. Jüngere, gesündere Menschen zahlen in der Regel geringere Beiträge, während Ältere oder Menschen mit Vorerkrankungen höhere Prämien leisten müssen. Dieses Prinzip ist marktwirtschaftlich orientiert und steht im Gegensatz zum solidarischen Ansatz der GKV.

Subsidiaritätsprinzip

Das Subsidiaritätsprinzip besagt, dass der Staat erst dann eingreifen soll, wenn eine Selbsthilfe nicht mehr möglich ist. In der Krankenversicherung bedeutet dies, dass die Eigenverantwortung der Versicherten gefördert wird, beispielsweise durch Zuzahlungen für bestimmte Leistungen oder Anreize für präventive Maßnahmen. Der Staat greift jedoch ein, wenn die Versorgung der Bevölkerung gefährdet ist oder der Zugang zu medizinischen Leistungen nicht mehr gewährleistet werden kann.

Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV)

Die gesetzliche Krankenversicherung ist die dominierende Form der Krankenversicherung in Deutschland. Über 70 Millionen Menschen, also rund 90 % der Bevölkerung, sind in der GKV versichert. Sie ist Teil des deutschen Sozialversicherungssystems und wird von den gesetzlichen Krankenkassen verwaltet.

Beiträge

Die Beiträge zur GKV werden von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam getragen. Der Beitragssatz beträgt 14,6 % des Bruttoeinkommens, wobei Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte übernehmen. Zusätzlich können die Krankenkassen einen individuellen Zusatzbeitrag erheben, der ausschließlich von den Versicherten getragen wird.

Es gibt eine Beitragsbemessungsgrenze, die das maximal beitragspflichtige Einkommen festlegt. Im Jahr 2024 liegt diese Grenze bei 66.600 Euro jährlich. Einkommen, das über dieser Grenze liegt, wird nicht mehr für die Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge herangezogen.

Leistungen

Die Leistungen der GKV sind im Sozialgesetzbuch V (SGB V) geregelt und umfassen eine breite Palette medizinischer Dienstleistungen, darunter:

  • Ambulante und stationäre ärztliche Behandlung
  • Zahnmedizinische Versorgung
  • Arzneimittel und Heilmittel
  • Rehabilitation und Vorsorge
  • Krankengeld ab der siebten Woche der Arbeitsunfähigkeit

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für medizinisch notwendige Behandlungen, während die Versicherten in einigen Bereichen Zuzahlungen leisten müssen. Dazu gehören beispielsweise Medikamente, bei denen eine Zuzahlung von 10 % des Preises, mindestens jedoch 5 Euro und höchstens 10 Euro, erhoben wird. Für bestimmte Leistungen wie Kuren oder Zahnersatz müssen die Versicherten einen höheren Eigenanteil tragen.

Kassenärztliche Vereinigungen

Die ärztliche Versorgung der gesetzlich Versicherten wird durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) organisiert. Diese Körperschaften des öffentlichen Rechts sind für die Sicherstellung der ambulanten Versorgung verantwortlich und fungieren als Bindeglied zwischen Ärzten und Krankenkassen. Sie schließen Verträge mit den Krankenkassen und verteilen die Honorare an die niedergelassenen Ärzte.

Wettbewerbsprinzip

Seit der Reform des Gesundheitswesens im Jahr 1996 gibt es einen Wettbewerb zwischen den gesetzlichen Krankenkassen. Die Versicherten können ihre Krankenkasse frei wählen und unter bestimmten Bedingungen wechseln. Die Krankenkassen konkurrieren um Mitglieder, indem sie Zusatzleistungen anbieten oder auf die Erhebung eines Zusatzbeitrags verzichten.

Familienversicherung

Ein wichtiger Bestandteil der GKV ist die Familienversicherung. Kinder, Ehepartner und eingetragene Lebenspartner von GKV-Versicherten können unter bestimmten Bedingungen kostenfrei mitversichert werden. Dies stärkt das Solidaritätsprinzip und entlastet Familien finanziell.

Die private Krankenversicherung (PKV)

Die private Krankenversicherung ist eine Alternative zur GKV und steht vor allem Selbstständigen, Freiberuflern sowie Arbeitnehmern mit einem Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze (im Jahr 2024: 66.600 Euro jährlich) offen. Im Gegensatz zur GKV basiert die PKV auf dem Äquivalenzprinzip, was bedeutet, dass die Beiträge individuell kalkuliert werden.

Beitragsberechnung

Die Beiträge in der PKV hängen von mehreren Faktoren ab:

  • Alter: Jüngere Menschen zahlen in der Regel geringere Beiträge.
  • Gesundheitszustand: Vorerkrankungen oder chronische Krankheiten führen zu höheren Prämien.
  • Leistungsumfang: Versicherte können den Umfang ihrer Versicherungsleistungen individuell festlegen. Dies umfasst beispielsweise die Wahl zwischen Ein- oder Zweibettzimmern im Krankenhaus oder die freie Arztwahl.

Im Gegensatz zur GKV werden die Beiträge in der PKV nicht nach dem Einkommen berechnet, sondern nach dem individuellen Risiko und den gewählten Leistungen.

Leistungen

Die Leistungen der PKV sind oft umfangreicher als in der GKV, da Versicherte die Möglichkeit haben, ihren Versicherungsschutz individuell anzupassen. Zu den möglichen Leistungen gehören:

  • Freie Arztwahl, auch bei Spezialisten
  • Chefarztbehandlung im Krankenhaus
  • Kostenübernahme für alternative Heilmethoden
  • Höhere Erstattung für Zahnersatz

Da die PKV-Verträge privat abgeschlossen werden, können Versicherte auch spezielle Tarife wählen, die bestimmte Leistungen ausschließen oder Zusatzversicherungen beinhalten.

Beihilfe für Beamte

Beamte in Deutschland haben eine Sonderstellung in der Krankenversicherung. Sie erhalten Beihilfe vom Staat, die einen Teil ihrer Krankheitskosten abdeckt. Die verbleibenden Kosten können sie durch eine private Krankenversicherung absichern. Da die Beihilfe einen großen Teil der Kosten übernimmt, sind die Beiträge zur PKV für Beamte in der Regel sehr günstig.

Wechsel von der GKV in die PKV

Der Wechsel von der GKV in die PKV ist unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Arbeitnehmer können in die PKV wechseln, wenn ihr Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt. Selbstständige und Freiberufler können sich von der Versicherungspflicht in der GKV befreien lassen und ebenfalls zur PKV wechseln. Ein Wechsel zurück in die GKV ist jedoch oft nur unter bestimmten Bedingungen möglich, etwa bei einem dauerhaften Absinken des Einkommens unter die Versicherungspflichtgrenze oder bei Arbeitslosigkeit.

Unterschiede zwischen GKV und PKV

Beide Krankenversicherungssystem bieten umfassenden Gesundheitsschutz, unterscheiden sich jedoch in Beiträgen, Leistungen und Zugangsvoraussetzungen.

KriteriumGKVPKV
PrinzipSolidaritätsprinzip (Beitragsgerechtigkeit, gleiche Leistungen für alle)Äquivalenzprinzip (individuelle Prämien nach Risiko und Leistungswunsch)
ZugangPflichtversicherung für alle Arbeitnehmer unter der Versicherungspflichtgrenze, Studierende, Arbeitslose, RentnerFreiwillige Versicherung für Selbstständige, Freiberufler, Beamte und Gutverdiener (Einkommen über Versicherungspflichtgrenze)
TrägerGesetzliche Krankenkassen (AOK, BKK, Ersatzkassen etc.)Private Krankenversicherungsunternehmen
BeitragshöheEinkommensabhängig (bis zur Beitragsbemessungsgrenze)Abhängig von Alter, Gesundheitszustand und Tarifwahl
LeistungsumfangEinheitlich, gesetzlich vorgeschriebene GrundversorgungIndividuell wählbar, oft umfangreicher als GKV
BehandlungsformSachleistungsprinzip, direkte Abrechnung mit KassenKostenerstattungsprinzip, Erstattung nach Einreichung von Rechnungen
FamilienversicherungEhepartner und Kinder beitragsfrei mitversichertKeine kostenfreie Mitversicherung von Familienangehörigen
Wahlfreiheit des ArztesHausarztprinzip in vielen Tarifen, eingeschränkte WahlfreiheitFreie Arztwahl, oft Zugang zu Spezialisten und Chefarztbehandlung
Risikozuschläge/-abschlägeKeine Risikozuschläge, solidarisches SystemRisikozuschläge bei Vorerkrankungen möglich, aber auch individuelle Risikoprüfung
Beitragsstabilität im AlterBeitragssteigerung mit steigendem Einkommen möglichBeiträge können im Alter stark steigen, Altersrückstellungen mindern dies teilweise
Leistungsumfang bei ZahnersatzGrundversorgung (feste Zuschüsse)Umfassendere Leistungen möglich, abhängig vom Tarif
WartezeitenKeine Wartezeiten für StandardleistungenWartezeiten für bestimmte Leistungen können gelten
Tab. 1.1: Vergleich: Private- und gesetzliche Krankenversicherung

Reformen und aktuelle Herausforderungen

Die Krankenversicherung in Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Der demografische Wandel, die steigenden Gesundheitskosten und der medizinische Fortschritt führen zu einer kontinuierlichen Belastung des Systems.

Demografischer Wandel

Die deutsche Bevölkerung altert, was zu einer steigenden Zahl älterer Menschen führt, die mehr medizinische Versorgung benötigen. Gleichzeitig gibt es immer weniger junge Menschen, die Beiträge zur Krankenversicherung leisten. Dies stellt das Solidaritätsprinzip der GKV vor eine Herausforderung, da immer weniger Beitragszahler die Kosten für eine immer größere Zahl von Leistungsempfängern tragen müssen.

Steigende Gesundheitskosten

Die Ausgaben für das Gesundheitssystem steigen kontinuierlich an. Gründe dafür sind der medizinische Fortschritt, der den Zugang zu immer besseren, aber auch teureren Behandlungsmöglichkeiten ermöglicht, sowie die Zunahme chronischer Erkrankungen. Um die Finanzierbarkeit der Krankenversicherung zu gewährleisten, sind regelmäßige Reformen notwendig, die sowohl die Beiträge als auch die Leistungen betreffen.

Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Digitalisierung bietet große Chancen für das deutsche Gesundheitssystem. Elektronische Patientenakten, Telemedizin und digitale Gesundheitsanwendungen können die Effizienz steigern und den Zugang zu medizinischer Versorgung verbessern. Gleichzeitig gibt es jedoch Herausforderungen im Bereich des Datenschutzes und der Finanzierung digitaler Innovationen.

Zusammenfassung

Die Krankenversicherung (KV) in Deutschland basiert auf Solidarität und bietet zwei Hauptsysteme: die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) und die private Krankenversicherung (PKV). Die GKV, die etwa 90 % der Bevölkerung abdeckt, finanziert sich einkommensabhängig, während die PKV individuelle Prämien nach Risiko und Leistung erhebt. Historisch aus Bismarcks Sozialreformen hervorgegangen, steht das System heute vor Herausforderungen durch den demografischen Wandel und steigende Gesundheitskosten. Reformen und Digitalisierung sollen die Versorgung langfristig sichern.

Quellen

  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2023) ‘Gesetzliche Krankenversicherung (GKV)’. Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/gesetzlich-versicherte.html (Zugriff am: 26. August 2024).
  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (2023) ‘Private Krankenversicherung (PKV)’: Verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/private-krankenversicherung.html.
  • Busse, R., Blümel, M. & Spranger, A. (2017). “Germany: Health System Review.” Health Systems in Transition, 19(4), 1-288. Verfügbar unter: https://www.euro.who.int/en/countries/germany/publications/germany-health-system-review-2017.
  • Statistisches Bundesamt. (2022). “Bevölkerung nach Art der Krankenversicherung.” Destatis. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Krankenversicherung/Tabellen/gesetzlich-privat-versichert.html.
  • Schneider, U. & Rupprecht, M. (2019). “Die Bedeutung der gesetzlichen Krankenversicherung für die Gesundheitsversorgung.” Deutsches Ärzteblatt, 116(2), A60-A63. Verfügbar unter: https://www.aerzteblatt.de/archiv/205237/Die-Bedeutung-der-gesetzlichen-Krankenversicherung-fuer-die-Gesundheitsversorgung.
  • PKV-Verband. (2023). “Leistungen und Beitragsentwicklung in der privaten Krankenversicherung.” Verband der Privaten Krankenversicherung e.V. Verfügbar unter: https://www.pkv.de/themen/politik/politik-fakten/private-krankenversicherung.
  • Häusler, M. & Schroeder, A. (2018). “Die Wahl der richtigen Krankenversicherung: Ein Leitfaden für Ärzte und medizinisches Personal.” Journal für Gesundheitsökonomie und Qualitätsmanagement, 23(4), 201-210.

- Themen-Tipp! -
Artikel teilen
Kommentieren