Berlin – Das geplante Pflegekompetenzgesetz markiert einen Meilenstein in der Entwicklung der Pflegeberufe in Deutschland. Es sieht vor, dass Pflegefachkräfte künftig eigenverantwortlich Aufgaben übernehmen dürfen, die bisher ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten waren. Diese Entwicklung wird insbesondere von Pflegefachkräften mit weiterführender oder akademischer Qualifikation begrüßt, doch sie birgt auch Herausforderungen, die eine differenzierte Betrachtung erfordern. Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) zeigt sich erfreut über die Erweiterung der Kompetenzen, mahnt jedoch, dass diese Reform nicht nur auf die Langzeitpflege abzielen dürfe, sondern auch die Pflege in Krankenhäusern berücksichtigen müsse. Dies forderte der Verband in einer Stellungnahme, die im Rahmen der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf des Pflegekompetenzgesetzes diskutiert wurde.
Mehr Eigenverantwortung für Pflegekräfte – eine lang erwartete Reform
Das Ziel des Pflegekompetenzgesetzes ist es, Pflegefachkräften mehr Eigenverantwortung zu übertragen. Diese sollen zukünftig in der Lage sein, heilkundliche Tätigkeiten auszuführen, die traditionell in den Aufgabenbereich von Ärztinnen und Ärzten fallen. Dazu zählen etwa die Verordnung von Medikamenten, diagnostische Maßnahmen oder die Durchführung von Behandlungen. Dies könnte die Gesundheitsversorgung insbesondere in der ambulanten und stationären Langzeitpflege erheblich entlasten und gleichzeitig den Pflegekräften mehr berufliche Autonomie und Anerkennung verschaffen.
Christoph Radbruch, Vorsitzender des DEKV, betont in diesem Zusammenhang die Bedeutung dieser Neuerung, insbesondere für Pflegefachkräfte mit weiterführender Fachausbildung oder einem akademischen Abschluss. Diese Gruppe von Pflegekräften habe in den letzten Jahren eine bedeutende Entwicklung durchlaufen und sei aufgrund ihrer Qualifikation bestens gerüstet, erweiterte Aufgaben eigenverantwortlich zu übernehmen.
Pflegekompetenzen in Krankenhäusern: Eine vernachlässigte Perspektive?
Trotz des weitreichenden Potenzials des neuen Gesetzes äußert der DEKV Bedenken, dass die spezifischen Anforderungen der Krankenhauspflege im Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Während Pflegekräfte in der Langzeit- und ambulanten Pflege vergleichbare Tätigkeiten übernehmen, unterscheiden sich die Aufgaben in Krankenhäusern oft deutlich. Hier stehen die Pflegekräfte vor komplexeren Herausforderungen, wie der Versorgung akut erkrankter Patientinnen und Patienten, der Arbeit in interdisziplinären Teams sowie der Durchführung spezialisierter medizinischer Maßnahmen.
Der DEKV kritisiert in seiner Stellungnahme, dass keine Vertreterinnen und Vertreter der Krankenhauspflege in die Entwicklung des Katalogs der erweiterten heilkundlichen Tätigkeiten einbezogen wurden. Dies sei problematisch, da so die Besonderheiten der Pflege im Krankenhaus nicht adäquat Berücksichtigung fänden. Katja Rosenthal-Schleicher, Vorstandsmitglied des DEKV und stellvertretende Pflegedirektorin im Evangelischen Klinikum Bielefeld, fordert daher, dass Organisationen der Pflegeberufe auf Bundesebene sowie die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) ein Stellungnahmerecht erhalten. Nur so könne sichergestellt werden, dass die spezifischen Anforderungen der Krankenhauspflege in den Gesetzesentwurf einfließen.
Anpassung der Personalbemessung: Eine unverzichtbare Konsequenz
Ein weiterer Kritikpunkt des DEKV betrifft die Personalbemessung im Krankenhaus. Zwar erweitert das Pflegekompetenzgesetz die Aufgabenbereiche der Pflegekräfte, doch die derzeitige Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) bildet diese neuen Tätigkeiten nicht ab. Mit der Ausweitung des Aufgabenfeldes wächst zwangsläufig auch der Zeitaufwand für die Pflegekräfte, was zu einem erhöhten Personalbedarf führen wird.
Der DEKV fordert deshalb, dass der Gesetzentwurf eine Anpassung der wissenschaftlichen Weiterentwicklung der Pflegebedarfsbemessung nach § 137l SGB V im Krankenhaus vorsieht. Diese Anpassung müsse die neuen heilkundlichen Tätigkeiten sowie den Qualifikationsmix innerhalb der Pflegeteams berücksichtigen. In Krankenhäusern arbeite man in Teams, die unterschiedliche Qualifikationen vereinen – von Pflegeassistenten bis hin zu hochqualifizierten Pflegefachkräften. Diese Zusammenarbeit müsse durch eine angepasste Personalbemessung gefördert und unterstützt werden.
Der Blick in die Zukunft: Entscheidung im Bundeskabinett
Das geplante Pflegekompetenzgesetz wird voraussichtlich am 6. November 2024 im Bundeskabinett beraten. Ob die Forderungen des DEKV sowie anderer Verbände in den endgültigen Entwurf einfließen, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die Weiterentwicklung der Pflegeberufe in Deutschland von großer Bedeutung ist, um den zukünftigen Herausforderungen des Gesundheitswesens gerecht zu werden. Besonders in einer Zeit des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels bietet das Pflegekompetenzgesetz die Chance, die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung sicherzustellen.
Schlussfolgerung
Das geplante Pflegekompetenzgesetz stellt einen wichtigen Schritt in der Aufwertung der Pflegeberufe dar und könnte die Arbeitsbedingungen sowie die Anerkennung von Pflegekräften erheblich verbessern. Es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass bei der Umsetzung nicht nur die Langzeitpflege im Fokus steht, sondern auch die spezifischen Anforderungen der Krankenhauspflege berücksichtigt werden. Nur durch eine umfassende und differenzierte Betrachtung der verschiedenen Pflegebereiche kann das Gesetz seine volle Wirkung entfalten und einen echten Mehrwert für das deutsche Gesundheitssystem bieten. Der DEKV leistet mit seiner kritischen Stellungnahme einen wichtigen Beitrag dazu, dass diese Perspektiven nicht aus dem Blick geraten.
Quelle
- DEKV – Deutscher Evangelischer Krankenhausverband e.V (ohne Datum) Dekv.de. Verfügbar unter: http://www.dekv.de (Zugegriffen: 2. Oktober 2024).