Phasen der Teamentwicklung im Gesundheitswesen

Teambildung im Gesundheitswesen durchläuft fünf Phasen: Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning. Jede Phase trägt entscheidend zur effektiven Zusammenarbeit und Patientensicherheit bei.

Stephan Wäsche 92 Aufrufe
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Ein starkes medizinisches Team rettet Leben. Die Phasen der Teamentwicklung – von der Formierung bis zur Leistung – sind entscheidend für eine optimale Patientenversorgung.© Foto: sutlafk (Shutterstock)

Teamentwicklungsphasen, oft auch als “Teambildungsphasen” bezeichnet, spielen eine zentrale Rolle in der erfolgreichen Zusammenarbeit von Teams, besonders im Gesundheitswesen, wo effektive Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Fachkräften entscheidend für die Patientensicherheit und die Qualität der Versorgung sind. Für medizinisches Fachpersonal, das oft in hochkomplexen und stressigen Umgebungen arbeitet, ist es besonders wichtig, dass Teams effizient und kooperativ funktionieren. Ein starkes Team kann den Unterschied zwischen einer optimalen Patientenversorgung und schwerwiegenden Fehlern machen.

Hintergrund

Der Hintergrund der Teamentwicklung basiert auf dem Verständnis, dass die Qualität der Zusammenarbeit in einem Team maßgeblich den Erfolg und die Effektivität eines Teams bestimmt. Diese Erkenntnis hat sich über viele Jahre entwickelt und beruht auf psychologischen und soziologischen Forschungen über Gruppenverhalten. Besonders in Hochdruck- und Hochrisikoumgebungen wie dem Gesundheitswesen ist effektives Teamwork entscheidend, da Fehler in der Kommunikation oder im Zusammenspiel von Teammitgliedern fatale Folgen haben können, die sich direkt auf das Leben von Patienten auswirken.

Ursprung der Teamentwicklungsphasen

Das Konzept der Teamentwicklungsphasen wurde erstmals von Bruce Tuckman 1965 beschrieben. Tuckman, ein amerikanischer Psychologe, stellte fest, dass Teams in einem klaren Muster von Phasen wachsen und sich entwickeln. In seiner ursprünglichen Arbeit identifizierte er vier Phasen: Forming (Formierung), Storming (Konflikt), Norming (Regelung) und Performing (Leistung). Später, in den 1970er Jahren, fügte er eine fünfte Phase hinzu, das Adjourning (Auflösen), um den gesamten Lebenszyklus eines Teams besser abzubilden.

Diese Phasen spiegeln die Dynamiken wider, die jedes Team durchläuft – von der anfänglichen Unsicherheit und Bildung von Rollen, über das Austragen von Konflikten, bis hin zur Leistungsspitze und schließlich zur Auflösung oder Veränderung des Teams. Obwohl Tuckmans Modell ursprünglich in allgemeinen Arbeitsteams entwickelt wurde, hat es sich als äußerst nützlich erwiesen, um Teamprozesse in verschiedenen Sektoren zu erklären, insbesondere in der Medizin, wo interdisziplinäre Zusammenarbeit essenziell ist.

Bedeutung von Teamarbeit im Gesundheitswesen

In den letzten Jahrzehnten ist das Verständnis der Bedeutung von Teamarbeit im Gesundheitswesen gewachsen. Untersuchungen und Berichte aus der Praxis haben gezeigt, dass eine schlechte Kommunikation zwischen Teammitgliedern zu gravierenden Fehlern führen kann, die die Patientensicherheit gefährden. Eine oft zitierte Studie ist der To Err is Human-Bericht, der 1999 vom Institute of Medicine in den USA veröffentlicht wurde. Der Bericht machte deutlich, dass jährlich Tausende von Patienten durch vermeidbare Fehler in Krankenhäusern ums Leben kommen, und viele dieser Fehler auf schlechte Teamarbeit und mangelhafte Kommunikation zurückzuführen sind.

Das Gesundheitswesen hat daraufhin begonnen, stärker auf interdisziplinäre Zusammenarbeit zu setzen, wobei Fachkräfte aus unterschiedlichen Bereichen – Ärzte, Krankenschwestern, Therapeuten, Apotheker und Verwaltungsangestellte – zusammenarbeiten, um die bestmögliche Patientenversorgung zu gewährleisten. Diese Teams müssen nicht nur fachspezifisches Wissen miteinander teilen, sondern auch über klare Kommunikations- und Kooperationsstrukturen verfügen, um schnell und effektiv auf sich verändernde Bedingungen reagieren zu können.

Forming (Formierungsphase): Der Beginn eines Teams

In der Formierungsphase kommen die Teammitglieder zum ersten Mal zusammen. Dies kann in einer Vielzahl von Situationen geschehen, sei es in einem Krankenhaus, einer Klinik oder in einem interdisziplinären Team, das sich zur Behandlung eines spezifischen Patienten zusammenfindet. In dieser Phase sind die Mitglieder oft noch zurückhaltend und unsicher über ihre Rolle im Team. Besonders im Gesundheitswesen, wo oft Hierarchien zwischen Ärzten, Pflegepersonal, Therapeuten und anderen Fachleuten bestehen, ist diese Phase geprägt von vorsichtigem Erkunden der Rollen und Verantwortlichkeiten.

Wichtige Merkmale der Formierungsphase

  • Unklarheit über die Rollen
    Wer übernimmt welche Aufgaben? Wer trifft die Entscheidungen? Diese Fragen sind oft noch unbeantwortet.
  • Abhängigkeit von der Leitung
    Die Teammitglieder orientieren sich an der Führungsperson, sei es der Oberarzt oder der leitende Pfleger. Diese Person hat die Verantwortung, die Richtung vorzugeben und Erwartungen zu klären.
  • Vorsichtige Kommunikation
    Die Kommunikation in dieser Phase ist eher formell und zurückhaltend, da die Teammitglieder sich noch nicht gut kennen und versuchen, Konflikte zu vermeiden.

Im medizinischen Kontext ist es wichtig, dass frühzeitig Klarheit geschaffen wird. Führungskräfte sollten in dieser Phase sicherstellen, dass die Teammitglieder ihre Aufgaben und Rollen verstehen und dass die Kommunikationswege klar definiert sind. Dies kann beispielsweise durch regelmäßige Teambesprechungen oder klar strukturierte Übergaben geschehen.

Storming (Konfliktphase): Konflikte und Machtkämpfe

Die Storming-Phase ist oft die schwierigste Phase in der Teamentwicklung, da hier persönliche und berufliche Unterschiede aufeinanderprallen. Im Gesundheitswesen, wo oft schnell und unter Druck Entscheidungen getroffen werden müssen, können diese Konflikte besonders intensiv sein. Diese Phase ist geprägt von Meinungsverschiedenheiten, Konkurrenzdenken und manchmal auch offenen Auseinandersetzungen.

Herausforderungen in der Storming-Phase

  • Unterschiedliche Meinungen
    Besonders im medizinischen Bereich gibt es oft unterschiedliche Ansichten darüber, was der beste Behandlungsansatz ist. Ein Arzt kann beispielsweise eine operative Lösung bevorzugen, während ein anderer eine konservative Therapie vorschlägt.
  • Machtkämpfe
    In Teams mit stark ausgeprägten Hierarchien, wie sie im Gesundheitswesen oft vorkommen, kann es zu Machtkämpfen kommen. Niederrangigere Teammitglieder könnten das Gefühl haben, dass ihre Meinung nicht gehört wird, während höhergestellte Mitglieder ihre Autorität durchsetzen wollen.
  • Frust und Spannungen
    Wenn Teammitglieder das Gefühl haben, dass ihre Arbeit oder ihr Beitrag nicht wertgeschätzt wird, kann dies zu Frustration und Spannungen führen.

In dieser Phase ist es entscheidend, dass Führungskräfte eingreifen und Konflikte moderieren. Ein offenes Gesprächsklima, in dem auch Kritik geäußert werden kann, ohne dass dies als Angriff empfunden wird, ist hier von großer Bedeutung. Im Gesundheitswesen kann dies durch regelmäßige interdisziplinäre Fallbesprechungen oder Teambuilding-Maßnahmen gefördert werden. Führungskräfte sollten auch darauf achten, dass Machtverhältnisse ausgeglichen sind und dass jedes Teammitglied sich respektiert und gehört fühlt.

Norming (Regelungsphase): Festlegen von Regeln und Normen

In der Norming-Phase beginnt das Team, effektiver zusammenzuarbeiten. Nach den Konflikten der Storming-Phase haben die Teammitglieder ihre Rollen und Verantwortlichkeiten akzeptiert und arbeiten nun daran, gemeinsame Ziele zu erreichen. Besonders im Gesundheitswesen ist diese Phase entscheidend, da hier die Grundlage für eine effiziente Zusammenarbeit gelegt wird.

Merkmale der Norming-Phase

  • Kooperation statt Konkurrenz
    Die Teammitglieder erkennen, dass sie zusammenarbeiten müssen, um ihre Ziele zu erreichen, und beginnen, konstruktiv miteinander umzugehen.
  • Klare Regeln und Standards
    In dieser Phase entwickeln Teams oft gemeinsame Arbeitsabläufe und Standards. Im medizinischen Bereich könnte dies bedeuten, dass klare Protokolle für die Behandlung oder Übergabe von Patienten entwickelt werden.
  • Zunehmendes Vertrauen
    Das Vertrauen zwischen den Teammitgliedern wächst, was besonders im Gesundheitswesen von großer Bedeutung ist, da medizinisches Personal oft in lebensbedrohlichen Situationen aufeinander angewiesen ist.

In dieser Phase sollten Führungskräfte darauf achten, dass die neu etablierten Regeln und Arbeitsabläufe auch tatsächlich eingehalten werden. Regelmäßige Feedback-Sitzungen können dazu beitragen, dass Probleme frühzeitig erkannt und behoben werden. Im medizinischen Kontext ist es wichtig, dass diese Phase genutzt wird, um klare Kommunikationsstrukturen zu etablieren, wie beispielsweise standardisierte Übergabeprotokolle oder regelmäßige Teammeetings.

Performing (Leistungsphase): Höchstleistung und Effektivität

Die Leistungsphase ist das Ziel jeder Teamentwicklung. In dieser Phase arbeiten die Teammitglieder optimal zusammen und sind in der Lage, ihre Aufgaben effizient und ohne größere Konflikte zu bewältigen. Für medizinische Teams bedeutet dies, dass sie auch unter hohem Druck und in kritischen Situationen effektiv zusammenarbeiten können.

Merkmale der Leistungsphase

  • Hohe Produktivität
    Das Team arbeitet effektiv und effizient zusammen, und Probleme werden schnell und gemeinsam gelöst.
  • Geringe Aufsicht erforderlich
    In dieser Phase ist die Rolle der Führungskraft weniger direktiv, da die Teammitglieder in der Lage sind, eigenverantwortlich zu arbeiten und Entscheidungen zu treffen.
  • Hohe Zufriedenheit
    Teammitglieder fühlen sich wertgeschätzt und in ihrer Arbeit unterstützt, was zu einer hohen Arbeitszufriedenheit führt.

Für medizinische Teams ist diese Phase besonders wertvoll, da hier das volle Potenzial des Teams zum Tragen kommt. In dieser Phase sind Teams in der Lage, auch in kritischen Situationen wie Notfällen oder während großer operativer Eingriffe effizient zu arbeiten. Die Kommunikation ist klar, die Rollen sind definiert, und jedes Teammitglied weiß, was von ihm erwartet wird.

Adjourning (Auflösungsphase): Abschied und Reflexion

Die Auflösungsphase tritt ein, wenn das Team seine Aufgabe abgeschlossen hat oder sich aufgrund von Veränderungen auflöst. Im medizinischen Bereich kann dies nach dem Abschluss eines Projekts oder einer Behandlung der Fall sein oder wenn Teammitglieder aufgrund von Personalrotation oder anderen organisatorischen Veränderungen das Team verlassen.

Merkmale der Auflösungsphase

  • Reflexion
    Teammitglieder reflektieren über die Zusammenarbeit und darüber, was gut funktioniert hat und was verbessert werden könnte.
  • Übergabe von Wissen
    Besonders im Gesundheitswesen ist es wichtig, dass das Wissen und die Erfahrungen, die im Team gesammelt wurden, an andere weitergegeben werden, damit zukünftige Teams davon profitieren können.
  • Emotionale Abschiede
    Da medizinisches Personal oft eng zusammenarbeitet und dabei intensive Erfahrungen teilt, kann die Auflösung eines Teams auch emotional sein.

In dieser Phase ist es wichtig, dass Führungskräfte die Leistungen des Teams würdigen und sicherstellen, dass das Wissen und die Erfahrungen aus der Zusammenarbeit dokumentiert und an zukünftige Teams weitergegeben werden. Dies kann durch Abschlussbesprechungen, schriftliche Berichte oder informelle Feedback-Runden geschehen.

Herausforderungen bei der Teamentwicklung

Obwohl die Phasen der Teamentwicklung allgemein anwendbar sind, gibt es im medizinischen Bereich einige spezifische Herausforderungen, die berücksichtigt werden müssen:

  1. Multidisziplinäre Teams
    Im Gesundheitswesen arbeiten Teams häufig interdisziplinär, was bedeutet, dass Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen (Ärzte, Pflegepersonal, Therapeuten etc.) zusammenkommen, um Patienten zu behandeln. Dies erfordert eine besonders sorgfältige Koordination und Kommunikation, da jede Disziplin unterschiedliche Arbeitsweisen und Prioritäten hat.
  2. Hoher Stress und Zeitdruck
    Medizinische Teams arbeiten oft unter enormem Druck. Notfälle, Personalengpässe und die hohe Verantwortung für das Leben der Patienten können zu Stress und Überforderung führen. Eine gute Teamentwicklung kann helfen, diesen Stress zu bewältigen und das Team widerstandsfähiger zu machen.
  3. Hierarchische Strukturen
    Das Gesundheitswesen ist oft stark hierarchisch organisiert, was die Kommunikation zwischen den verschiedenen Ebenen erschweren kann. Besonders in der Storming-Phase können diese Hierarchien zu Konflikten führen. Es ist wichtig, eine Kultur des gegenseitigen Respekts und der offenen Kommunikation zu fördern.
  4. Ständige Veränderungen
    Das Gesundheitswesen ist ein Bereich, der sich ständig weiterentwickelt, sei es durch technologische Fortschritte, neue Behandlungsmethoden oder organisatorische Veränderungen. Teams müssen daher flexibel und anpassungsfähig bleiben.

Schlussfolgerung

Die Phasen der Teamentwicklung bieten einen hilfreichen Rahmen, um die Dynamiken und Herausforderungen zu verstehen, die Teams im medizinischen Bereich durchlaufen. Jede Phase bringt spezifische Anforderungen mit sich, und es ist wichtig, dass Führungskräfte diese Phasen aktiv unterstützen, um ein effizientes und kooperatives Arbeitsumfeld zu schaffen. Ein gut funktionierendes Team kann nicht nur die Arbeitszufriedenheit erhöhen, sondern auch die Qualität der Patientenversorgung erheblich verbessern.

Medizinisches Fachpersonal ist oft mit komplexen, stressigen und lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert. Daher ist eine starke und effiziente Teamdynamik unerlässlich, um diese Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Durch das Verständnis und die Förderung der Teamentwicklungsphasen können Teams im Gesundheitswesen in jeder Phase ihrer Arbeit eine hervorragende Leistung erbringen und damit einen entscheidenden Beitrag zur Patientensicherheit und -versorgung leisten.

Quellen

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  • Institute of Medicine (1999) To Err is Human: Building a Safer Health System. Washington, DC: National Academy Press.
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