Sichere Medikamentengabe: 6-R- und 10-R-Regeln

Die 6-R- und 10-R-Regeln in der Pflege gewährleisten eine sichere Medikamentenverabreichung, minimieren Risiken und schützen Patienten durch strukturierte, standardisierte Abläufe.

Stephan Wäsche 25 Aufrufe
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Die Regeln zur sicheren Medikamentengabe umfassen die „6-R-Regel“: Richtiger Patient, Medikament, Dosierung, Applikationsform, Zeitpunkt, und Dokumentation. Die „10-R-Regel“ erweitert dies um Anwendungsdauer, Aufbewahrung, Risikomanagement und Entsorgung für eine fehlerfreie Pflege.

Das Stellen von Medikamenten in der Pflege ist ein komplexer Prozess, der strikte Standards und Regeln erfordert, um die Sicherheit der Patienten zu gewährleisten. Eine der wesentlichen Komponenten dieses Prozesses sind die 6-R- und 10-R-Regeln. Diese Regeln sollen helfen, Fehler bei der Medikamentenverabreichung zu vermeiden und sicherzustellen, dass die Pflegekräfte alle notwendigen Schritte beachten.

6-R-Regel: Grundprinzipien der Medikamentengabe

Die 6-R-Regel bildet die Grundlage für die sichere Medikamentenverabreichung und umfasst die sechs wesentlichen Punkte, die zu überprüfen sind, bevor ein Medikament verabreicht wird:

  1. Richtiger Patient
    Bevor ein Medikament verabreicht wird, muss zweifelsfrei festgestellt werden, dass das Medikament für den richtigen Patienten bestimmt ist. In der Pflegepraxis werden häufig der Name, das Geburtsdatum oder eine Patienten-ID verwendet, um Verwechslungen zu vermeiden.
  2. Richtiges Medikament
    Es ist unerlässlich, sicherzustellen, dass das verabreichte Medikament exakt das ist, das vom Arzt für den Patienten verschrieben wurde. Verwechslungen zwischen verschiedenen Medikamenten können schwerwiegende Folgen haben, insbesondere wenn sie ähnlich aussehen oder ähnlich klingende Namen haben.
  3. Richtige Dosierung
    Die richtige Dosierung ist entscheidend, da sowohl Unter- als auch Überdosierungen gefährlich sein können. Hierbei ist auf die vorgeschriebene Menge und die Form des Medikaments (z. B. Milligramm, Milliliter) zu achten.
  4. Richtige Applikationsform
    Medikamente können auf verschiedene Weise verabreicht werden (z. B. oral, intravenös, subkutan, topisch). Die Applikationsform muss dem ärztlichen Plan genau entsprechen, da eine falsche Form die Wirkung des Medikaments beeinflussen kann.
  5. Richtiger Zeitpunkt
    Der Zeitpunkt der Medikamentengabe ist ein weiterer kritischer Faktor. Einige Medikamente müssen zu bestimmten Tageszeiten, in Verbindung mit Mahlzeiten oder in bestimmten Intervallen verabreicht werden. Eine genaue zeitliche Abstimmung ist wichtig, um die maximale Wirksamkeit und Sicherheit zu gewährleisten.
  6. Richtige Dokumentation
    Die korrekte Dokumentation stellt sicher, dass alle verabreichten Medikamente aufgezeichnet sind. Hierzu gehören die Menge, der Zeitpunkt und eventuelle besondere Vorkommnisse. Eine lückenlose Dokumentation ist wichtig für die Nachvollziehbarkeit und für rechtliche Zwecke.

10-R-Regel: Erweiterte Sicherheitsregeln für die Medikamentengabe

Die 10-R-Regel ist eine Erweiterung der 6-R-Regel und deckt zusätzliche Faktoren ab, die in komplexeren Pflegesituationen relevant sind. Sie hilft dabei, auch weniger offensichtliche Aspekte der Medikamentenverabreichung im Blick zu behalten:

  1. Richtiger Patient (wie in der 6-R-Regel)
    Die Vergewisserung, dass das Medikament für den korrekten Patienten bestimmt ist.
  2. Richtiges Medikament (wie in der 6-R-Regel)
    Sicherstellen, dass das verabreichte Medikament das verschriebene ist.
  3. Richtige Dosierung (wie in der 6-R-Regel)
    Überprüfung der Dosierung auf Genauigkeit.
  4. Richtige Applikationsform (wie in der 6-R-Regel)
    Das Medikament muss in der vom Arzt vorgesehenen Form verabreicht werden.
  5. Richtiger Zeitpunkt (wie in der 6-R-Regel)
    Sicherstellen, dass das Medikament zur richtigen Zeit verabreicht wird.
  6. Richtige Dokumentation (wie in der 6-R-Regel)
    Genaues Aufzeichnen der Medikamentengabe und eventueller Vorkommnisse.
  7. Richtige Anwendungsdauer
    Dieser Punkt stellt sicher, dass die Medikamentengabe nur so lange erfolgt, wie sie ärztlich verordnet ist. Die Anwendungsdauer ist besonders bei Antibiotika wichtig, die nicht länger oder kürzer als vorgeschrieben eingenommen werden sollten.
  8. Richtige Aufbewahrung
    Medikamente müssen oft spezifisch gelagert werden, um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten. Das betrifft z. B. die Kühlung von Impfstoffen oder die Lagerung lichtempfindlicher Medikamente in dunklen Behältnissen.
  9. Richtiges Risikomanagement
    Pflegekräfte müssen potenzielle Risiken bei der Medikamentengabe erkennen und darauf vorbereitet sein, adäquat zu reagieren. Dazu gehört beispielsweise die Kenntnis von Nebenwirkungen oder Kontraindikationen, um im Notfall eingreifen zu können.
  10. Richtige Entsorgung
    Die korrekte Entsorgung von Resten oder abgelaufenen Medikamenten ist wichtig, um Umwelt- und Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Arzneimittel sollten niemals im normalen Müll oder Abwasser entsorgt werden. Hierfür gibt es spezielle Entsorgungsprotokolle, insbesondere bei Betäubungsmitteln oder anderen sensiblen Substanzen.

Praktische Umsetzung der 6-R- und 10-R-Regeln

Die Anwendung der 6-R- und 10-R-Regeln erfordert sorgfältige Planung und Aufmerksamkeit. Ein standardisierter Prozess kann wie folgt aussehen:

  • Vorbereitung des Arbeitsplatzes
    Der Arbeitsplatz sollte ruhig und ohne Ablenkungen sein. Materialien wie Medikamentenschälchen und -dispenser sind vorbereitet und beschriftet.
  • Arbeitsweise
    Pflegende sollten strukturiert arbeiten und jeden Punkt der R-Regeln überprüfen. Zum Beispiel kann eine Checkliste oder ein digitales System die Einhaltung der 10-R-Regeln sicherstellen.
  • Kommunikation und Teamarbeit
    In komplexeren Situationen, etwa bei Medikamenten mit hohem Risiko, kann das Vier-Augen-Prinzip angewendet werden. Eine zweite Pflegekraft überprüft die Vorbereitung, um Fehler zu minimieren.
  • Schulung und Fortbildung
    Die Anwendung der 6-R- und 10-R-Regeln erfordert geschultes Personal. Regelmäßige Fortbildungen können sicherstellen, dass das Personal auf dem aktuellen Stand der Arzneimittelsicherheit ist und neue Richtlinien kennt.
  • Notfallbereitschaft
    Im Falle einer allergischen Reaktion oder einer unerwarteten Nebenwirkung müssen Pflegekräfte vorbereitet sein, um schnell und effektiv zu handeln. Kenntnisse über das Risikomanagement (z. B. die Anwendung von Notfallmedikamenten wie Adrenalin) gehören hier zum Standard.

Zusammenfassung

Die 6-R- und 10-R-Regeln sind essenziell für die sichere Medikamentenverabreichung in der Pflege. Die 6-R-Regel umfasst: richtiger Patient, Medikament, Dosierung, Applikationsform, Zeitpunkt und Dokumentation. Die 10-R-Regel erweitert diese um Anwendungsdauer, Aufbewahrung, Risikomanagement und Entsorgung. Durch eine saubere Arbeitsumgebung, sorgfältige Kontrolle, strukturierte Dokumentation und regelmäßige Schulungen wird die Einhaltung dieser Regeln sichergestellt. Auch das Vier-Augen-Prinzip kann genutzt werden, um Fehler zu vermeiden und Patientensicherheit zu gewährleisten.

Quellen

  • Elsevier GmbH, & Menche, N. (Hrsg.). (2019). Pflege Heute (7. Aufl.). Urban & Fischer in Elsevier.
  • Wied, S., & Warmbrunn, A. (Hrsg.). (2012). Pschyrembel Pflege (3. Aufl.). Walter de Gruyter.

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