Stabile Seitenlage

Die stabile Seitenlage ist eine Erste-Hilfe-Maßnahme, bei der eine bewusstlose, atmende Person seitlich gelagert wird, um die Atemwege freizuhalten und das Risiko einer Erstickung durch Erbrochenes zu vermeiden.

Stephan Wäsche 112 Aufrufe
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Bei der Anwendung der stabilen Seitenlage wird der Kopf leicht überstreckt, um die Atemwege frei zu halten. Dies verhindert das Zurückfallen der Zunge in den Rachen und sorgt dafür, dass die Person frei atmen kann.© Foto: Highwaystarz-Photography (iStock)

Die stabile Seitenlage ist eine der grundlegendsten, aber zugleich lebenswichtigen Erste-Hilfe-Maßnahmen. Sie wird bei bewusstlosen, aber atmenden Personen angewandt, um sicherzustellen, dass die Atemwege frei bleiben und eine Erstickungsgefahr vermieden wird. Im Falle eines Notfalls ist es entscheidend, die korrekte Durchführung der stabilen Seitenlage zu beherrschen, um das Überleben des Betroffenen zu sichern.

Stabile Seitenlage
Ausprache (IPA)
[ʃtaˈbiːlə ˈzaɪ̯tn̩ˌlaːɡə]
Plural
Stabile Seitenlagen
Abkürzung
SSL
Englisch
recovery position
Indikation
Aspirationsprophylaxe

Was ist die stabile Seitenlage?

Die stabile Seitenlage bezeichnet eine spezielle Lagerung einer bewusstlosen Person in einer Seitenposition. Diese Position stellt sicher, dass die Atemwege freigehalten werden und verhindert, dass Erbrochenes oder andere Flüssigkeiten in die Atemwege gelangen. Sie sorgt außerdem dafür, dass die Zunge nicht nach hinten rutscht und den Rachen blockiert. Die stabile Seitenlage wird nur bei Personen angewendet, die bei Bewusstlosigkeit selbstständig atmen und einen Herzschlag haben.

Wichtige Merkmale der stabilen Seitenlage

  • Freihaltung der Atemwege
    Durch die seitliche Lagerung wird der Kopf so positioniert, dass Flüssigkeiten aus dem Mund abfließen können und nicht in die Atemwege gelangen.
  • Schutz vor Erstickung
    Die Zunge, die bei Bewusstlosigkeit oft den hinteren Rachen blockieren kann, wird durch die Positionierung des Kopfes in der Seitenlage davon abgehalten.
  • Stabile Position
    Der Körper wird so gelagert, dass der Betroffene nicht ungewollt zurück auf den Rücken rollt.

Indikation

Die stabile Seitenlage kommt bei bewusstlosen, aber atmenden Personen zur Anwendung. Eine Person kann aus verschiedenen Gründen bewusstlos werden, darunter:

  • Ohnmacht oder Kollaps
    Bei Kreislaufproblemen, beispielsweise durch Dehydration, Hitze oder plötzlichen Schock, kann es zu einer kurzzeitigen Bewusstlosigkeit kommen.
  • Alkoholvergiftung oder Drogenkonsum
    Übermäßiger Konsum von Alkohol oder Drogen kann zu Bewusstlosigkeit führen, während die Person weiterhin atmet.
  • Kopfverletzungen
    Bei Unfällen oder Stürzen, die zu einer Gehirnerschütterung führen, kann es zur Bewusstlosigkeit kommen.
  • Herzinfarkte oder Schlaganfälle
    Obwohl diese Zustände oft lebensbedrohlich sind, können sie manchmal zu einer kurzen Bewusstlosigkeit führen, während die Person noch selbstständig atmet.
  • Die stabile Seitenlage wird NICHT angewendet, wenn:
    • Die Person nicht atmet (hier muss sofort mit einer Herz-Lungen-Wiederbelebung begonnen werden).
    • Es besteht Verdacht auf Wirbelsäulenverletzungen (hier sollte auf eine seitliche Lagerung verzichtet werden, um weitere Schäden zu verhindern, es sei denn, die Atemwege sind blockiert).

Wie wird die stabile Seitenlage durchgeführt?

Die Durchführung der stabilen Seitenlage ist relativ einfach und kann auch von Laien durchgeführt werden. Dennoch ist es wichtig, jeden Schritt genau zu befolgen, um sicherzustellen, dass die Person richtig positioniert ist. Im Folgenden werden die Schritte zur Durchführung der stabilen Seitenlage erklärt:

Schritt-für-Schritt-Anleitung

  1. Schritt 1
    • Gefahrenlage einschätzen und Bewusstsein sowie Atmung prüfen
    • Seitlich neben die betroffene Person knien und die Beine strecken.
    • Den nahen Arm angewinkelt nach oben legen, die Handinnenfläche zeigt dabei nach oben.
  2. Schritt 2
    • Fernen Arm der betroffenen Person am Handgelenk greifen.
    • Arm vor der Brust kreuzen, die Handoberfläche auf die Wange der betroffenen Person legen.
    • Den fernen Oberschenkel ergreifen und das Bein der betroffenen Person beugen.
  3. Schritt 3
    • Den gebeugten Oberschenkel fassen und die Person vorsichtig zu sich ziehen, sodass sie auf der Seite liegt.
  4. Schritt 4
    • Das oben liegende Bein so ausrichten, dass der Oberschenkel im rechten Winkel zur Hüfte liegt
    • Den Kopf leicht nach hinten neigen und den Mund öffnen, um die Atemwege offen zu haltenden
  5. Schritt 5
    • Die an der Wange liegende Hand so ausrichten, dass der Hals überstreckt bleibt
    • Korrekte Positionierung überprüfen und ggf. anpassen
  6. Abschließende Schritte
    • Regelmäßig die Atmung überprüfen und auf Veränderungen im Bewusstseinszustand achten.
    • Bei Bedarf, z.B. bei Erbrechen, die Position anpassen, um die Atemwege frei zu halten.
    • Innerhalb des klinischen Settings die Notfallkette aktivieren
    • Ausserhalb der Klinik Notruf 112 absetzten und professionelle medizinische Hilfe anfordern.

Besondere Hinweise

  • Sanftes Vorgehen
    Beim Drehen der Person besonders vorsichtig sein, vor allem bei Verdacht auf Verletzungen des Halses oder der Wirbelsäule.
  • Anpassung der Lagerung
    Es gibt keine „einzig richtige“ Position. Die genaue Ausrichtung von Kopf, Armen und Beinen kann an die Situation und den Zustand des Betroffenen angepasst werden, solange die grundlegenden Prinzipien (Atemwege freihalten, Erstickung verhindern) eingehalten werden.”

Warum ist die stabile Seitenlage so wichtig?

Die Bedeutung der stabilen Seitenlage lässt sich nicht genug betonen, da sie in Notfallsituationen eine lebensrettende Maßnahme darstellt. Hier sind die Hauptgründe:

Verhinderung von Erstickung

Eine der größten Gefahren für bewusstlose Menschen ist die Erstickung durch Erbrochenes, Blut oder andere Flüssigkeiten. Da eine bewusstlose Person nicht die Muskelkontrolle hat, um zu husten oder sich zu räuspern, kann Flüssigkeit in die Lunge gelangen und zu einer Aspiration führen. Durch die stabile Seitenlage kann der Kopf so positioniert werden, dass Flüssigkeiten aus dem Mund abfließen und das Risiko einer Aspiration minimiert wird.

Sicherung der Atemwege

Die Zunge ist einer der häufigsten Gründe für blockierte Atemwege bei bewusstlosen Menschen. In einer Rückenlage kann die Zunge nach hinten rutschen und den Rachen blockieren (Atemwegsverlegung). In der stabilen Seitenlage wird der Kopf so positioniert, dass die Zunge nicht zurückfällt, wodurch die Atemwege offen bleiben.

Einfache Durchführung

Die stabile Seitenlage erfordert keine spezialisierte Ausrüstung oder besondere medizinische Kenntnisse. Selbst Personen ohne medizinische Ausbildung können sie mit einer kurzen Einführung effektiv durchführen. Das macht sie zu einer der wertvollsten Maßnahmen in der Ersten Hilfe.

Besondere Situationen und Anpassungen

Es gibt bestimmte Szenarien, in denen die Durchführung der stabilen Seitenlage besondere Aufmerksamkeit erfordert. Dazu gehören:

Verdacht auf Wirbelsäulenverletzungen

Wenn der Verdacht besteht, dass die Person eine Verletzung der Wirbelsäule erlitten hat (z.B. nach einem Autounfall oder Sturz), sollte die Bewegung des Körpers so minimal wie möglich gehalten werden, um eine Verschlimmerung der Verletzung zu verhindern. Falls die Atemwege dennoch blockiert sind, muss die Person behutsam in eine Position gebracht werden, die das Freihalten der Atemwege gewährleistet.

Schwangere Frauen

Bei schwangeren Frauen im letzten Schwangerschaftsdrittel wird empfohlen, die stabile Seitenlage auf der linken Seite durchzuführen. Dies verhindert, dass die Gebärmutter Druck auf die großen Blutgefäße ausübt, was den Blutfluss zum Herzen beeinträchtigen könnte.

Kinder und Babys

Für Kinder über einem Jahr kann die stabile Seitenlage wie bei Erwachsenen durchgeführt werden. Bei Säuglingen unter einem Jahr ist die Methode jedoch nicht empfehlenswert. Hier sollte der Säugling stattdessen auf den Arm gelegt werden, wobei der Kopf leicht nach unten geneigt wird, um die Atemwege frei zu halten.

Häufige Fehler bei der stabilen Seitenlage

Obwohl die stabile Seitenlage eine relativ einfache Technik ist, passieren oft Fehler, die die Wirksamkeit beeinträchtigen können:

  • Zu starkes Überdrehen des Körpers: Die Person sollte nicht komplett auf den Bauch gedreht werden, da dies das Atmen erschwert.
  • Falsche Kopfpositionierung: Der Kopf sollte immer leicht nach hinten geneigt sein, um die Atemwege offen zu halten. Ein unachtsames Überstrecken oder Abknicken kann zu Atemproblemen führen.
  • Fehlerhafte Überprüfen der Atmung
    Es ist wichtig, die Atmung der bewusstlosen Person kontinuierlich zu überwachen. Eine bewusste oder unbewusste Vernachlässigung dieser Überprüfung kann dazu führen, dass eine Verschlechterung des Zustands nicht bemerkt wird.
  • Unsachgemäßes Positionieren der Arme und Beine
    Die Arme und Beine müssen so positioniert werden, dass der Körper stabil auf der Seite liegt und nicht zurück auf den Rücken rollt. Es kommt häufig vor, dass der obere Arm oder das obere Bein nicht korrekt angewinkelt wird, was die Stabilität beeinträchtigt.
  • Vermeidung der Seitenlage bei Verdacht auf Wirbelsäulenverletzung ohne Atemwegsobstruktion
    Manche Menschen sind übervorsichtig, wenn es um mögliche Wirbelsäulenverletzungen geht. Dabei wird die stabile Seitenlage häufig fälschlicherweise komplett vermieden. Wenn jedoch die Atemwege blockiert sind, ist es weitaus wichtiger, die Atemwege freizuhalten, als das Risiko einer weiteren Schädigung der Wirbelsäule einzugehen.

Wissenschaftliche Grundlagen und Anatomie

Um die Bedeutung der stabilen Seitenlage vollständig zu verstehen, ist es hilfreich, sich die anatomischen und physiologischen Mechanismen hinter der Maßnahme genauer anzuschauen.

Zunge und Atemwege

Die Zunge ist bei Bewusstlosen oft ein Hauptfaktor für die Atemwegsverlegung. Im wachen Zustand verhindert die Muskelspannung der Zunge, dass diese in den Rachen zurückfällt. Doch bei Bewusstlosigkeit erschlafft die Zungenmuskulatur, wodurch die Zunge nach hinten gleiten kann und den Rachen blockiert. Dies ist besonders in der Rückenlage der Fall. Die Seitenlage verhindert dieses Zurückfallen, indem der Kopf in eine Position gebracht wird, die die Schwerkraft nutzt, um die Zunge nach vorne zu halten.

Aspiration und Schutzreflexe

Normalerweise verfügt der menschliche Körper über Schutzreflexe, die das Eindringen von Fremdkörpern in die Atemwege verhindern. Zu diesen Reflexen gehören der Hustenreflex und der Schluckreflex. Bei Bewusstlosigkeit sind diese Reflexe abgeschwächt oder fehlen vollständig, was das Risiko einer Aspiration von Flüssigkeiten wie Erbrochenem, Speichel oder Blut erhöht. Die stabile Seitenlage reduziert dieses Risiko erheblich, indem sie den Mund zum tiefsten Punkt des Körpers macht, sodass Flüssigkeiten durch die Schwerkraft aus dem Mund fließen können, anstatt in die Luftröhre zu gelangen.

Der Kreislauf und die Seitenlage

Eine weitere wichtige Überlegung bei der stabilen Seitenlage betrifft den Blutkreislauf. Besonders bei Personen mit kardiovaskulären Problemen oder nach Schockzuständen ist es wichtig, den Blutfluss zum Gehirn und zu den lebenswichtigen Organen aufrechtzuerhalten. Die stabile Seitenlage stellt sicher, dass der Körper in einer neutralen Position bleibt, die den Blutfluss nicht behindert und das Herz-Kreislauf-System nicht zusätzlich belastet.

Zusammenfassung

Die stabile Seitenlage ist eine unverzichtbare Erste-Hilfe-Maßnahme, die von Laien und Fachleuten gleichermaßen erlernt werden sollte. Sie bietet einen lebensrettenden Schutz für bewusstlose, aber atmende Personen, indem sie die Atemwege offen hält und das Risiko einer Aspiration minimiert. Die einfache Durchführung und die nachgewiesene Wirksamkeit machen sie zu einer der wichtigsten Maßnahmen in der Ersten Hilfe.

Die Kenntnis und Beherrschung der stabilen Seitenlage kann den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Daher ist es von größter Bedeutung, dass jeder, unabhängig von seinem medizinischen Hintergrund, diese Technik beherrscht und im Notfall anwenden kann. Die Weiterverbreitung dieses Wissens durch Schulungen, Kurse und öffentliche Aufklärung ist von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass im Notfall schnell und richtig gehandelt wird.

Quellen

  • Maloney, J. (2019). Emergency Medical Responder: First on Scene. Pearson Education.
  • Pschyrembel, W. (2020). Klinisches Wörterbuch. De Gruyter.
  • Nolan, J. P., Hazinski, M. F., Billi, J. E., Böttiger, B. W., Bossaert, L., de Caen, A. R., … & Zideman, D. A. (2015). International Consensus on Cardiopulmonary Resuscitation and Emergency Cardiovascular Care Science with Treatment Recommendations. Circulation, 132(16_suppl_1), S40-S50. doi:10.1161/CIR.0000000000000270
  • Deutsches Rotes Kreuz (2023). Stabile Seitenlage. Abgerufen 9. Juli 2024, von DRK e.V website: https://www.drk.de/hilfe-in-deutschland/erste-hilfe/stabile-seitenlage/
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). (2023). Erste Hilfe. Abgerufen 9. Juli 2024, von Bzga.de website: https://www.bzga.de
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