Trendelenburg-Lagerung

Die Trendelenburg-Lagerung ist eine medizinische Position, die den Kopf tiefer als den Körper lagert, um venösen Rückfluss und Organzugang zu erleichtern.

Stephan Wäsche
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Die Trendelenburg-Lagerung positioniert Patienten in Rückenlage mit abgesenktem Kopf und erhöhten Beinen (15–30° Neigung), um die venöse Rückkehr zu fördern, Organe zu verschieben oder Kreislaufprobleme zu behandeln.© Foto: Stephan Wäsche (Medirio)

Die Trendelenburg-Lagerung ist eine spezielle Lagerungstechnik in der Medizin, die nach dem deutschen Chirurgen Friedrich Trendelenburg (1844–1924) benannt ist. Sie wird angewandt, um bestimmte physiologische Zustände zu fördern oder medizinische Eingriffe zu erleichtern. Diese Lagerung hat sich über die Jahre als vielseitig und effektiv erwiesen, sowohl in Notfallsituationen als auch in verschiedenen medizinischen Fachgebieten.

Definition

Die Trendelenburg-Lagerung ist eine medizinische Position, bei der der Patient in Rückenlage mit einem um 15–30 Grad nach unten geneigten Körper gelagert wird, sodass der Kopf tiefer liegt als der Unterkörper. Diese Technik wurde von Friedrich Trendelenburg entwickelt und dient dazu, die venöse Rückkehr zum Herzen zu verbessern, den Blutfluss zum Gehirn zu fördern oder Organe für chirurgische Eingriffe im Beckenbereich besser zugänglich zu machen. Sie wird in der Notfallmedizin, Chirurgie und Anästhesie eingesetzt, birgt jedoch Risiken wie erhöhten intrakraniellen Druck oder Atemprobleme.

Geschichte

Die Trendelenburg-Lagerung wurde im 19. Jahrhundert von Friedrich Trendelenburg (1844–1924), einem deutschen Chirurgen, entwickelt. Trendelenburg war ein Pionier auf dem Gebiet der Chirurgie und strebte danach, die Sicht und den Zugang zu Organen im Beckenbereich zu verbessern. Sein Hauptanliegen war es, die gynäkologische und abdominale Chirurgie sicherer und effizienter zu gestalten.

Trendelenburg entwickelte die Lagerung zunächst für chirurgische Eingriffe an den Beckenorganen. Die Kopf-tiefer-Lagerung ermöglichte es, die Bauchorgane durch die Schwerkraft nach oben zu verlagern und so den operativen Zugang zu erleichtern. Zu dieser Zeit war die Position ein bedeutender Fortschritt, da sie die Übersichtlichkeit für den Operateur erhöhte und die Erfolgsrate komplexer Eingriffe steigerte.

Im frühen 20. Jahrhundert wurde die Trendelenburg-Lagerung zunehmend in anderen Bereichen der Medizin verwendet. Insbesondere in der Notfallmedizin und Anästhesie fand sie breite Anwendung. Sie wurde als Technik etabliert, um den Kreislauf zu stabilisieren, etwa bei hypovolämischem Schock, und um die venöse Rückkehr zum Herzen zu verbessern.

Physiologische Wirkungen

Die Trendelenburg-Lagerung bewirkt einen verstärkten venösen Rückfluss aus den unteren Körperregionen, was zu einer Zunahme der kardialen Vorlast führt. Weiter beeinflusst sie die Physiologie des Körpers auf mehrere Arten:

  • Verbesserter venöser Rückfluß
    Durch die Schwerkraft wird das venöse Blut aus den unteren Extremitäten schneller zum Herzen zurückgeführt. Dies kann in Situationen nützlich sein, in denen ein Blutdruckabfall oder Kreislaufversagen vorliegt.
  • Erhöhte Perfusion des Gehirns
    Durch die Neigung wird der Blutfluss zum Kopf begünstigt, was bei hypovolämischen Zuständen (z. B. Schock) kurzfristig hilfreich sein kann.
  • Verschiebung der Organe
    Bei chirurgischen Eingriffen, insbesondere im Bauch- und Beckenbereich, können Organe durch die Lagerung verschoben werden, was den Zugang erleichtert.
  • Erhöhter intrathorakaler Druck
    Diese Position kann den Druck im Brustkorb erhöhen, was bei Patienten mit Atemwegsproblemen oder Herzerkrankungen berücksichtigt werden muss.

Indikationen

Die Trendelenburg-Lagerung findet in verschiedenen medizinischen Bereichen Anwendung, wobei sie gezielt eingesetzt wird, um bestimmte physiologische Effekte zu fördern oder Eingriffe zu erleichtern. Typische Indikationen sind:

Chirurgie

  • Abdominal- und Beckenchirurgie:
    Verbesserung der Sicht und des Zugangs zu Beckenorganen, insbesondere bei gynäkologischen oder urologischen Operationen. Sie wird etwa bei Eingriffen an Prostata, Blase oder Ureteren angewendet.
  • Laparoskopische Eingriffe:
    Durch die Verlagerung von Organen aus dem Operationsfeld mittels Schwerkraft wird eine bessere Sicht und Arbeitsfreiheit ermöglicht.

Notfallmedizin

  • Hypovolämischer Schock:
    Kurzfristige Unterstützung der Durchblutung lebenswichtiger Organe durch verstärkten venösen Rückfluss. Allerdings ist der Nutzen umstritten, da die Studienlage uneinheitlich ist und mögliche Risiken wie eine Erhöhung des intrakraniellen Drucks bestehen.
  • Kreislaufkollaps:
    Vorübergehende Maßnahme bei akutem Blutdruckabfall, bis andere Interventionen greifen.
  • Rechtsherzversagen:
    Etwa im Rahmen eines Hinterwandinfarkts, um die Vorlast zu steigern und die Herzfunktion zu unterstützen.

Anästhesie

  • Erleichterung der Intubation:
    Verbesserung des venösen Rückflusses und Stabilisierung des Kreislaufs während der Intubation.
  • Prävention von Aspiration:
    Verminderung des Risikos, dass Mageninhalt in die Atemwege gelangt.

Diagnostik

  • Kardiologische Untersuchungen:
    Sichtbarmachung bestimmter Herzklappenanomalien wie der Trikuspidalinsuffizienz durch eine gezielte Veränderung des Blutflusses.
  • Gastroösophagealer Reflux:
    Provokation von Refluxepisoden zur diagnostischen Beurteilung.

Intensivmedizin

  • Legen eines zentralvenösen Katheters:
    Die Trendelenburg-Lagerung wird beim Einführen eines Subclavia-Katheters (sCath) oder Jugularis-Katheters (iCath) angewendet, da sie durch eine verbesserte Füllung der Venen die Punktion erleichtert.
  • Beatmungsunterstützung:
    Förderung der Perfusion bestimmter Organe oder temporäre Erleichterung der Atemarbeit.

Geburtshilfe

  • Entlastung der Vena cava:
    Temporäre Entlastung bei Schwangeren, wenn der Fetus Druck auf die Vena cava ausübt.

Kontraindikationen

Trotz ihrer vielseitigen Einsatzmöglichkeiten gibt es zahlreiche Kontraindikationen für die Trendelenburg-Lagerung. Diese resultieren aus den physiologischen Veränderungen, die durch die Kopf-tiefer-Positionierung hervorgerufen werden, und können bei bestimmten Patienten Zustandsverschlechterungen hervorrufen.

Erhöhter intrakranieller Druck (ICP)

  • Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, Hirnödem oder intrakraniellen Blutungen sollten nicht in die Trendelenburg-Lagerung gebracht werden, da der venöse Abfluss aus dem Kopf beeinträchtigt wird und der intrakranielle Druck weiter ansteigen kann.

Atemwegserkrankungen

  • Chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder andere restriktive Lungenerkrankungen:
    Die Lagerung kann den Zwerchfellbereich komprimieren und die Atemmechanik beeinträchtigen.
  • Lungenödem
    Der erhöhte Druck im Brustkorb kann die Situation verschlimmern, indem der pulmonale Blutfluss steigt.

Herzerkrankungen

  • Linksherzinsuffizienz
    Die erhöhte Vorlast kann das geschwächte Herz zusätzlich belasten und Symptome wie Lungenstauung oder Dyspnoe verschlechtern.
  • Schwere Herzrhythmusstörungen
    Veränderungen des Herz-Kreislauf-Flusses können das Risiko weiterer Rhythmusstörungen erhöhen.

Adipositas

  • Bei stark adipösen Patienten kann die Trendelenburg-Lagerung zu Atemproblemen führen, da das Gewicht der Bauchorgane auf das Zwerchfell drückt und die Lungenexpansion einschränkt.

Augenkrankheiten

  • Erhöhter Augeninnendruck (Glaukom) oder Augenoperationen:
    Die Lagerung kann den Druck im Augeninneren erhöhen und Komplikationen auslösen.

Schwangerschaft im fortgeschrittenen Stadium

  • Durch die Lage des Fötus kann zusätzlicher Druck auf die Organe und die Vena cava ausgeübt werden, was die Kreislaufsituation der Mutter verschlechtern könnte.

Gastroösophageale Refluxkrankheit (GERD)

  • Patienten mit starkem Reflux oder Magenfüllung haben ein erhöhtes Risiko für Aspiration, da der Mageninhalt leichter in die Speiseröhre und möglicherweise in die Atemwege gelangen kann.

Neurologische Erkrankungen

  • Epilepsie oder andere Krampfanfälle:
    Eine erhöhte Durchblutung des Gehirns könnte das Risiko eines Anfalls erhöhen.

Schwerer hypovolämischer Schock

  • Während die Trendelenburg-Lagerung früher bei Schockzuständen häufig verwendet wurde, wird sie heute bei schwerem Schock nicht mehr empfohlen. Sie kann durch eine vorübergehende Verbesserung des Blutflusses zu einer Fehleinschätzung des Zustands führen und bei längerem Einsatz den Sauerstoffbedarf des Herzens erhöhen.

Risiken

Die Trendelenburg-Lagerung birgt mehrere spezifische Risiken, die insbesondere bei unsachgemäßer Anwendung oder prädisponierenden Faktoren auftreten können. Zu den wichtigsten Risiken zählen:

Regurgitation von Mageninhalt

  • Mechanismus
    Durch die Kopf-tiefer-Positionierung kann der Druck auf den Magen erhöht werden, was das Risiko für das Zurückfließen von Mageninhalt in die Speiseröhre (Regurgitation) steigert.
  • Gefahren
    Regurgitierter Mageninhalt kann leicht in die Atemwege gelangen und eine Aspiration verursachen, die zu schwerwiegenden Komplikationen wie Aspirationspneumonie führen kann.
  • Betroffene Gruppen
    Patienten mit gastroösophagealem Reflux (GERD), vollem Magen oder unzureichender Schließfunktion des unteren Ösophagussphinkters.

Hirnödem

  • Mechanismus:
    Die Behinderung des venösen Abflusses aus dem Schädel führt zu einem erhöhten Druck im Gehirn, was ein Hirnödem verschlimmern oder verursachen kann.
  • Gefahren:
    Ein Hirnödem kann neurologische Schäden hervorrufen, den intrakraniellen Druck erhöhen und in schweren Fällen lebensbedrohlich sein.
  • Betroffene Gruppen:
    Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma, intrakraniellen Blutungen, Tumoren oder anderen neurologischen Erkrankungen.

Gesteigerter Augeninnendruck

  • Mechanismus
    Durch die veränderte Position wird der venöse Abfluss aus dem Auge reduziert, was zu einem Anstieg des intraokulären Drucks führt.
  • Gefahren
    Bei Patienten mit Glaukom oder nach Augenoperationen kann dies die Sehkraft gefährden und bestehende Augenerkrankungen verschlechtern.
  • Betroffene Gruppen
    Personen mit bekannten Augenerkrankungen oder erhöhtem Risiko für Glaukom.

Modernere Ansätze und Techniken

Mit der Entwicklung neuer Technologien und medizinischer Geräte wurden einige Anwendungen der Trendelenburg-Lagerung durch modernere Methoden ergänzt oder ersetzt:

  • Roboter-assistierte Chirurgie:
    Die Lagerung bleibt ein zentraler Bestandteil bei Eingriffen mit robotischen Systemen, da sie die Visualisierung der Operationsfelder erleichtert.
  • Simulationsgestützte Schulung:
    Die Trendelenburg-Lagerung wird in medizinischen Simulationen eingesetzt, um Ärzte und Pflegekräfte in der Notfallmedizin zu schulen.
  • Optimierte Patientenlagerungssysteme:
    Spezialisierte Betten und Lagerungssysteme ermöglichen eine präzisere und sicherere Anwendung der Lagerung.

Zusammenfassung

Die Trendelenburg-Lagerung ist eine medizinische Position, bei der der Patient in Rückenlage mit einem abgesenkten Kopf und angehobenen Beinen gelagert wird (15 – 30 Grad). Sie wurde von Friedrich Trendelenburg für die Chirurgie entwickelt und dient dazu, die Sicht auf Beckenorgane zu verbessern, die venöse Rückkehr zu fördern oder bestimmte medizinische Eingriffe zu erleichtern. Anwendung findet sie in der Chirurgie, Notfallmedizin, Anästhesie, Diagnostik und Intensivmedizin, z. B. bei urologischen Operationen, Rechtsherzversagen oder beim Legen zentralvenöser Katheter. Risiken sind u. a. Regurgitation, Hirnödem, erhöhter Augeninnendruck und Atemprobleme. Die Lagerung ist kontraindiziert bei erhöhtem intrakraniellen Druck, Herzerkrankungen, Atemwegserkrankungen und Schwangerschaft. Sorgfältige Abwägung ist entscheidend, da Nutzen und Risiken situationsabhängig variieren.

Quellen

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  • Marieb, E. N. und Hoehn, K. (2018). Human Anatomy & Physiology. 11th ed. Boston: Pearson.
  • Hillman, K. M. (1997). ‘The Trendelenburg position: hemodynamic effects and indications’, Critical Care Medicine, 25(6), pp. 887–889.
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  • Vallerand, A. H. und Polomano, R. C. (2019). ‘Positioning strategies in surgical patients’, Journal of PeriAnesthesia Nursing, 34(4), pp. 321–330.
  • American Heart Association (AHA) (2020). Advanced Cardiovascular Life Support (ACLS) Guidelines. Dallas: AHA.
  • European Resuscitation Council (ERC) (2021). Resuscitation Guidelines. Brussels: ERC.
  • Mayo Clinic (2023). ‘Trendelenburg Position’. Verfügbar: https://www.mayoclinic.org (Zugriff: 20. November 2024).
  • National Institute for Health and Care Excellence (NICE) (2022). ‘Patient positioning in critical care’. Verfügbar: https://www.nice.org.uk (Zugriff: 20. November 2024).
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